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Die VP/FP-Regierung hat einige richtige Akzente gesetzt. Für ihre Nachfolgerin bleibt freilich noch genug zu tun.

Den einen galt sie schlicht als "falsche Regierung" - legal, aber nicht legitim. Womit sich für jene, vielfach in der Kritischen Theorie geschult, die Frage nach der konkreten Arbeit dieser Koalition gewissermaßen nur noch als sekundäre stellte: Im "Falschen" kann es kein "Richtiges" geben.

Ein harter Kern beharrt bis heute auf diesem Standpunkt - wohl auch zum Zwecke moralischer Selbstlegitimation - während der Großteil der Regierungsskeptiker und -kritiker zu einer moderat-differenzierten Sicht der Dinge gelangt ist. So bezeichnete etwa dieser Tage ein Kommentator des Standard die "Entzauberung Jörg Haiders" als "Schüssels Meisterstück"; der "Zustand der FPÖ" sei "kein Zufall, sondern das Resultat eine kalkulierten Strategie" des ÖVP-Chefs.

Das sieht offenbar mittlerweile auch Haider selbst so, weswegen er ja derzeit jeden Tag in einem anderen Magazin zwischen Larmoyanz und Aggression pendelnd über Wolfgang Schüssel herzieht (und dankbar-erleichtert wird man man in den vielköpfigen Chefredaktionen der bunten Hefte registriert haben: Haider is back).

Fest steht, dass die strukturellen Probleme dieser Koalition, die im tatsächlich höchst fragwürdigen, schillernden "Wesen" der FP wurzeln, die Sacharbeit immer wieder überlagert haben - nicht nur in der veröffentlichten Meinung, sondern auch real. Atmosphärisches und Inhaltliches lassen sich eben nicht fein säuberlich voneinander trennen, beides gehört zum Gesamtbefund dazu.

Als wichtigster Erfolg der VP/FP-Regierung bleibt, die Idee eines ausgeglichenen Staatshaushaltes als politisches Ziel nachhaltig verankert zu haben: Schon richtig, das "Nulldefizit" wurde mit Rekordabgabenlast erkauft und entpuppte sich dann als Strohfeuer. Keine Rede noch von struktureller Budgetsanierung. Dennoch hat hier, vom Ansatz her, ein notwendiger Paradigmenwechsel stattgefunden, den ja auch die Sozialdemokraten nicht wirklich zur Disposition stellen wollen - Alfred Gusenbauer regte seinerzeit im Überschwang der Gefühle gleich an, das "Nulldefizit" in die Verfassung hineinzuschreiben, was freilich auch ein Unfug ist - die Verfassung sollte kein Sammelsurium von politisch auch noch so ehrenwerten Ideen sein.

Ein "Nulldefizit", das diesen Namen verdient, wird es nicht geben ohne tiefgreifende Reform der Strukturen der Republik (Föderalismus, Verwaltung) und ohne Durchforstung des Sozialbereichs. Hier findet eine künftige Regierung noch ein weites Betätigungsfeld. Ein Österreich-Konvent, wie er von Herwig Hösele, Alfred Payrleitner, Maria Schaumayer, Alfred Gusenbauer in Analogie zum EU-Konvent vorgeschlagen wurde, könnte endlich die Neuregelung der Kompetenzen zwischen Kommunen, Bezirken, Ländern, Bund (und EU) substanziell voranbringen.

Besonderer Behutsamkeit bedürfen sicherlich die Bereiche Gesundheit und Altersvorsorge. Wir sollten den Staat hier nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Wir werden uns freilich auch abgewöhnen müssen, jede Form von Selbstbehalt oder mehr Eigenverantwortung als "neoliberal" oder "soziale Kälte" zu geißeln. Tatsache ist indes, dass die Regierung die Idee des Selbstbehalts durch den Pfusch bei den Ambulanzgebühren ebenso diskreditiert, wie sie dem Projekt einer Reform des Sozialstaats generell durch die Farce im Hauptverband (Stichwort: Sallmutter-Ablöse) einen Bärendienst erwiesen hat.

Schwarz-Blau stand von Anfang an unter besonderer internationaler Beobachtung. Die Sanktionen der EU-14 sprachen gerade jenen europäischen Werten Hohn, auf die man sich bei der Verhängung heuchlerisch berief - trotz berechtigter Skepsis gegenüber der FPÖ. Wolfgang Schüssel und die Regierungsmitglieder seiner Partei sind als Europäer über jeden Verdacht erhaben. Dennoch bleibt die Frage, ob man bei der Auswahl seiner Freunde in Europa nicht etwas selektiver vorgehen sollte. Lässt sich die europäische Gesinnung, die dem Kanzler selbst so wichtig ist, etwa gleichermaßen Ungarns Viktor Orbán oder Italiens Silvio Berlusconi attestieren? Oder genügt es schon, nicht-sozialistisch zu sein, um als Freund Österreichs zu gelten? "Forza Wolfgang" durfte Berlusconi Amico Schüssel beim VP-Wahlkampfauftakt aufmunternd zurufen ...

Eine Fortsetzung der bisherigen Koalition ist in den letzten Tagen nicht eben wahrscheinlicher geworden. Sähe man Alternativen, denen man den notwendigen Reformschwung zutrauen würde, man nähme sie dankbar zur Kenntnis. (Die Meldungen, die seit dem 22. September aus Deutschland kommen, sind ja nicht gerade ermutigend.) Ganz abgesehen von der Frage, was sich nach dem 24. 11. überhaupt rechnerisch ausgehen wird.

rudolf.mitloehner@furche.at

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