Was durch Liebe erreicht wird

Werbung
Werbung
Werbung

Mit Giacomo Puccinis selten gespieltem Werk "La fanciulla del West“ ("Das Mädchen aus dem goldenen Westen“) eröffnete die Staatsoper erfolgreich ihren Premierenreigen der neuen Saison.

Am Schluss fliegen Minnie und ihr geläuterter Liebhaber Dick Johnson, einst als Bandit Ramerrez gefürchtet, in einem Ballon davon. Zeichen für ein Happy End, zugleich der einzige Stilbruch dieser Inszenierung von Marco Arturo Marelli, der auch für Bühnenarchitektur und Licht verantwortlich zeichnet. Nicht nur dass mit dieser Schlusspointe unvermutet romantisierender Kitsch Einzug hält, wirkt dann auch der folgende Selbstmordversuch des glücklos um Minnie kämpfenden, selbsternannten Sheriffs Jack Rance verkrampft, fast lächerlich. Ansonsten ist von einer rundum stimmigen, entsprechend einhellig akklamierten Produktion zu berichten, die alle jene Lügen straft, die meinten, dass man es bloß mit einem Nebenwerk, was immer man darunter verstehen will, zu tun bekomme.

Im Gegenteil. Was Puccini in seiner letzten Oper, "Turandot“, vollendet, zeichnet sich hier bereits ab: Ein deutlicher Zug zum Impressionismus, zu exotischen Klangfarben, ein bewusstes Einbinden der ariosen Elemente in den Gesamtablauf, das Setzen auf Leitmotive und eine Hervorhebung des Orchesters, was sich in der Größe der Besetzung wie seinen weit gespannten koloristischen Aufgaben zeigt.

Dass die Oper, die 1910 an der (alten) New Yorker MET unter Arturo Toscanini mit Enrico Caruso als Johnson und Emmy Destinn als Minnie uraufgeführt wurde und erstmals 1936 an der Wiener Hofoper zu erleben war, kaum mehr als ein "Geheimtipp“ geblieben ist, hängt wesentlich mit dem Sujet zusammen, besser: dessen meist missverstandener Deutung.

Eine starke Charakterstudie

Puccini lernte die dem Libretto zugrunde liegende Geschichte, David Belascos Drama "The Girl of the Golden West“, 1907 in New York kennen. Dabei interessierte ihn, wie seine musikalische Umsetzung unmissverständlich zeigt, weniger, dass sie im Wilden Westen spielt, als wie sich die Charaktere im Lauf der Handlung verändern.

Hier setzt Marellis durch eine exzellente Personenführung unterstützte Regie an. Für ihn ist es die sehr reale Geschichte von Minenarbeitern, die fernab der Zivilisation ihr trübes Dasein in einem schmucklosen Containerdorf fristen, von Wohlstand, vor allem persönlichem Glück träumen. Ein Kontext, in dem sich die hier im Vordergrund stehende Wandlung der Protagonisten eindringlich darstellen lässt. GMD Franz Welser-Möst am Pult der virtuos, sensibel und klangschön musizierenden Musiker sorgte mit einer klugen Tempodramaturgie und viel Gespür für den atmosphärischen Reiz der Partitur für die sich steigernde spannende Basis dieses Premierenabends. Bestens in Form auch der von Martin Schebesta einstudierte wortdeutliche Chor. Selbst wenn man sich da und dort mehr Italianitá gewünscht hätte, lässt sich die Besetzung heutzutage kaum toppen. Angeführt von Nina Stemmes packend-einfühlsamer Minnie, Jonas Kaufmanns betont lyrisch angelegtem Dick Johnson und Tomasz Koniecznys grimmig-rachsüchtigem Jack, denen ein exemplarisch homogenes Ensemble assistierte.

La fanciulla del West

Wiener Staatsoper

11., 14., 17. Oktober

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung