Was Frauen wirklich wählen

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Wählen Frauen anders? Wie will man Wählerinnen erreichen? Welche Themen sind Frauenthemen? Über den Faktor Geschlecht im Wahlkampf.

Die "Nächstenliebe“-Plakate der FPÖ sprechen eine klare Sprache: Das blonde Mädchen mit den Spangerln im Haar und dem rosa getupften Leiberl wendet sich mit geneigtem Kopf vertrauensvoll H.C. Strache zu. Dasselbe Prinzip bei einem weiteren "Nächstenliebe“-Plakat: Die liebe Oma, ebenfalls in rosarot gekleidet, streichelt Strache fürsorglich übers Gesicht, als wäre er "der gute Bub“. Dazu die Botschaft "Liebe deinen Nächsten“.

Versucht die FPÖ mit dieser ungewohnt unaggressiven Kampagne bei den Wählerinnen zu punkten? "Das sind Faserschmeichler-Formulierungen, eine neue Weichheit. Strache will in die Regierung und muss sich als jemand profilieren, der nicht nur draufhaut, sondern auch eine weiche Seite hat, väterliche Leadership-Qualitäten zeigt“, analysiert die Kommunikationswissenschaftlerin Aga Trnka-Kwiecinski. Allein die Farbgestaltung und der Slogan sollten wohl eine weibliche Zielgruppe ansprechen - sofern man in Klischees denkt.

Fast noch klischeehafter wirkt das ÖVP-Plakat "Kanzler für die Entdecker“: Michael Spindelegger blickt flankiert von zwei aktiven Buben direkt ins Bild - im Hintergrund in verwischten Konturen ein abgewandtes Mädchen im rosa Kleid, das anscheinend nicht zur Entdeckerin taugt. "Man fragt sich doch unweigerlich: Fällt diese plumpe Darstellungsweise niemandem auf, bevor so ein Plakat in Druck geht? Dass das bewusst so inszeniert wird, das möchte ich ja doch nicht hoffen“, meint Trnka-Kwiecinski.

Unterschiede bei Grünen und Stronach

Ganz anders erscheinen die Wahlplakate der Grünen: Einmal klettert Eva Glawischnig gemeinsam mit Mädchen und Buben auf einen Baum, einmal sticht die grüne Spitzenkandidatin mit dem Spaten in den Boden, dann wieder sitzt sie in einer gemischten Teamsitzung auf dem Tisch. "Mit hinauf gekrempelten Jeans und Turnschuhen ist sie für eine Politikerin unkonventionell gekleidet. Auch am Tisch zu sitzen gehört sich laut Elmayer nicht. Diese Gesten sind authentisch, weil sich Glawischnig auch in Magazinstrecken öfter privat und unkonventionell zeigt“, so Trnka-Kwiecinski.

Doch in den wenigsten Fällen werden in großen Kampagnen gezielt Frauen angesprochen, meint der Meinungsforscher und Politologe Peter Hajek: "Weil das Wahlbudget dazu nicht ausreicht, versuchen die Parteien, über die Geschlechter, Alters- und Bildungsgruppen hinweg eine gemeinsame Klammer von zwei oder drei Kernthemen zu finden.“ Doch wie unterscheidet sich tatsächlich das Wahlverhalten von Frauen und Männern? Die größten Geschlechterunterschiede zeigen sich bei den Wählern der Grünen und des Teams Stronach (siehe Grafik). Besonders auffällig: 12 Prozent der Männer unter 30 würden Stronach wählen, aber nur ein Prozent der gleichaltrigen Frauen. "Wenn nur Frauen wählen würden, hätten wir tendenziell eine Mehrheit links der Mitte. Bei den Männern würde sich eine Mehrheit rechts der Mitte ergeben. Diesen Gender-Gap gibt es schon seit längerem, auch international“, weiß Hajek.

Warum Frauen eher links wählen? "Erstens lassen sich Frauen von patriarchal geprägten Parteien und männlichen Parteiführern weniger stark ansprechen. Zweitens kommt eine aggressive Sprache und Kommunikationsweise bei Frauen schlechter an. Und drittens sind Frauen die Themen Bildung, Soziales und Gleichberechtigung wichtiger.“ Interessanterweise treffen diese Punkte auf junge, weniger gebildete Frauen nicht mehr so stark zu: "Bei den FPÖ-Wählern unter 30 sieht man, dass der Unterschied zwischen Männern (25 Prozent) und Frauen (22 Prozent) nicht mehr so groß ist“, so Hajek. Denn nicht nur das Geschlecht, sondern auch das Alter und der Bildungsgrad prägen das Wahlverhalten.

Frauenorganisationen im Wahlkampf

"Gebildete Frauen tendieren sehr stark zu den Grünen. Das Gender-Thema ist ja eines ihrer Hauptthemen“, betont Hajek. Bei den jungen Grünen-Wählern sind ganze 25 Prozent weiblich und nur 16 Prozent männlich.

Dennoch ist im Wahlkampf nicht viel von den Frauenorganisationen der Parteien zu hören. "Die Wahlkampf-Themen sind stark auf den Arbeitsmarkt und das tägliche Auskommen ausgerichtet. Über Kinderbetreuung machen sich die Menschen erst Sorgen, wenn sie einen Job haben“, gibt Trnka-Kwiecinski zu bedenken.

Mehr Kinderbetreuungseinrichtungen fordern vor allem die SPÖ-Frauen, zudem eine gerechte Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit. Die ÖVP-Frauen setzen auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie auf Wahlfreiheit. "Wir reduzieren Frauenpolitik nicht auf Gendern und Quoten“, kommuniziert ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm. "Mit dieser alt bekannten Position findet die ÖVP natürlich auch Wählerinnen, die sich quer durch die Bildungsschichten ziehen“, meint Hajek.

Geschlechterthemen sieht der Meinungsforscher als "aufgelegten Elfmeter“ für ÖVP und SPÖ, um sich im Wahlkampf ideologisch voneinander abzugrenzen: "Die SPÖ hat es da leichter, weil sie beim Thema Frauen historisch betrachtet eine klare Linie gezeigt hat und die progressivere Partei ist. Die ÖVP hat sich in letzter Zeit in punkto Frauenpolitik ein Stückchen vorgewagt und zieht sich im Wahlkampf wieder auf ihre alte Kernposition zurück.“ Mitten im Wahlkampf thematisiert die ÖVP die Abschaffung des Frauenministeriums. Offenbar herrscht in den ÖVP-Reihen keine Angst, so Wählerinnen zu vergraulen. Trnka-Kwiecinski hält ein Frauenministerium generell für ein zweischneidiges Schwert: "Es führt dazu, dass Themen wie Familie als reines Frauenthema betrachtet werden, nach dem Motto: Darum kümmert sich eh die Frauenministerin.“ Jedoch seien sogenannte "Frauenthemen“- mitunter die ersten, wo eingespart wird.

"Frauenthemen“ werden konstruiert

Die FPÖ-Frauensprecherin Carmen Gartelgruber erachtet die Bereiche Familie, Gesundheit, Pflege und den Opferschutz als Frauenthemen. "Solche Themen sind deswegen Frauenthemen, weil sie strukturell und institutionell dazu gemacht werden“, analysiert Trnka-Kwiecinski. Die FPÖ fordert auch im Namen der Frauenpolitik mehr Notrufsäulen in Städten. "Diese Maßnahme betrifft stark Jugendliche, Ältere, körperlich eingeschränkte Menschen und ist kein Frauen-Thema“, kritisiert Trnka-Kwiecinski. Tatsächliche Frauenthemen seien etwa Bildung oder Arbeit: "In der Wirtschafskrise sind die Arbeitsplätze von Leuten in prekären Beschäftigungsverhältnissen und in Teilzeit als erstes bedroht - vor allem Frauen.“

Die Grünen fordern mehr Einkommensgerechtigkeit und mehr Maßnahmen gegen Armutsgefährdung, aber auch mehr Frauen in den Führungsetagen und der Politik. Indessen haben die meisten Parteien Frauenquoten eingeführt: Offiziell liegt die selbst gewählte Quote in der ÖVP bei 30 Prozent Frauen, in der SPÖ bei 40 Prozent. Beide Parteien verfehlen ihre eigene Zielsetzung regelmäßig. Bei den Grünen strebt man Halbe-Halbe an - und tatsächlich teilen sich Frauen und Männer zur Hälfte die Mandatssitze. FPÖ und BZÖ verzichten überhaupt auf eine Frauenquote und sichern so ihren Männeranteil von über 80 Prozent ab. Das Team Stronach hat sich bis zum Redaktionsschluss nicht dazu geäußert. Die Neos haben keine Frauenquote. Sie verweisen darauf, dass diese nicht nötig sei, weil ohnehin fünf von elf Vorstandsmitgliedern weiblich sind.

Bei all den Diskussionen darf man eines nicht vergessen: "Ich entscheide mich für eine Partei nicht wegen meiner Geschlechtszugehörigkeit, sondern aufgrund der Themen, die für mich die größte Relevanz haben“, betont Trnka-Kwiecinski. Jede Wahlentscheidung ist geprägt von den Faktoren Bildung, Alter, kultureller Hintergrund, Stadt oder Land. Diese Kombination mache Wähler so individuell, betont auch Hajek: "Deshalb wäre es unfair, Frauen oder Männer über einen Kamm zu scheren und zu sagen: Dieses Geschlecht wählt so.“

Eine aktuelle Wähleranalyse der Süddeutschen Zeitung zeigt: Sobald Einkommen, Familienstand, Herkunft und Konfession übereinstimmen, sind keine geschlechterspezifischen Unterschiede mehr im Wahlverhalten feststellbar. Die bestehenden Unterschiede zeigen nur eines: Die gesellschaftliche Situation von Männern und Frauen unterscheidet sich - noch.

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