Was gratis zu haben ist, ist nichts wert

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Der Schweizer Medienwissenschafter Stephan Ruß-Mohl, auch Kolumnist dieser Zeitung, hat – einmal mehr – bei einem Studienaufenthalt die Zeitungslandschaft der USA vermessen. Herausgekommen ist eine Landkarte, zugegebenermaßen als Momentaufnahme, die ein äußerst präzise gezeichnetes Bild von der tristen ökonomischen Lage der Zeitungen, der TV-Networks und Radiosender vermittelt: Kreative Zerstörung lautet in Anlehnung an den Ökonomen Joseph Schumpeter der Titel seines Buches. Mit Dutzenden von Zitaten und Fallbeispielen dokumentiert Ruß-Mohl den Niedergang der US-amerikanischen Zeitungen und des von ihnen geprägten investigativen Journalismus. Das Anzeigengeschäft gehe zurück, die Zahlungsbereitschaft des Publikums sinke, in den Redaktionen werde gespart, die Qualität und die Glaubwürdigkeit der Zeitungstitel nehme ab, ihre Auflage sinke, manche werden wegen übertriebener und damit unerfüllbarer Renditeerwartungen eingestellt. Das alte Geschäftsmodell der gedruckten Zeitungen ist erschöpft.

Deutliche Warnung für Europa

Ruß-Mohl weist mit dem Finger auf die blutende Wunde des Journalismus: Den Wert der eigenen, mitunter hoch angesehenen Marke und Leistungen habe man in der Branche und in Redaktionen zu spät erkannt und zu wenig kommuniziert. Inhalte gratis ins Netz zu stellen, habe den Markenwert ramponiert, denn was im Kapitalismus gratis zu haben sei, sei per se nichts wert. Mit Stiftungen und Subventionen, mit Kostensenkung, mit Online-Abonnements, Flatrates und Micropayments werde versucht, die Kosten- und Erlösstruktur zu verbessern, Zeitungen am Leben zu erhalten. Ob das alles auch Europa drohe? Noch nicht, meint Ruß-Mohl. Denn zu hoffen sei, dass im alten Europa die Medien nicht in gleichem Ausmaß wie in den USA zum Spielball von Hedge-Fonds, Private-Equity-Investoren und Spekulanten werden. Zudem hätten die Zeitungen hier nicht so flächendeckend an Qualität verloren und Inhalte gratis ins Netz gestellt wie in den USA.

Wie sehr allerdings die Probleme der Branche auch Österreich und hier den ORF betreffen, zeigt ein Beitrag („Die Digitalisierung der Fernsehübertragung als Herausforderung für den ORF“) in dem Sammelband Die österreichische Medienlandschaft im Umbruch. Die Herausgeber Birgit Stark und Melanie Magin haben in 14 Beiträgen von fachlich versierten und ausgewiesenen Autorinnen und Autoren (etwa Matthias Karmasin, Daniela Kraus, Thomas Steinmaurer, Roman Hummer, Klaus Meier) die wesentlichen Themen der Medienbranche gebündelt. Dem üblichen Klagelied über die hohe Konzentration und den Mangel an Selbstkontrolle folgt auch eines über die gängige Kritik an der Presseförderung. Das alles ist zwar nicht ganz neu, aber teils sehr gut recherchiert, argumentiert und belegt. Und damit beweist dieser Sammelband eines: Eine fakten- und wissensbasierte Medienpolitik wäre möglich. Dieses Verdienst eines Buches kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. (c.r.)

Kreative Zerstörung

Niedergang und Neuerfindung des Zeitungsjournalismus in den USA.

Von Stephan Ruß-Mohl, UVK 2009, 284 Seiten, br., 40 sw. Abb., e 30,80

Die österreichische Medienlandschaft im Umbruch

Relation n.s. vol. 3.

Von Herbert Matis, Herausgegeben von Birgit Stark und Melanie Magin VÖAW 2009, 360 Seiten, br., e 23,60

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