Was ist mit Boris Jelzin?

Werbung
Werbung
Werbung

Neunzehnhundertneunzig galt er noch als die Hoffnung aller jener in Rußland, die Michail Gorbatschows Reformwillen nicht trauten. 1991 triumphierte er über die Putschisten gegen Gorbatschow - und dann über diesen selbst - und stieg zum starken Mann Rußlands auf, der die Sowjetunion liquidierte. Seither ist Boris Jelzin kontinuierlich für Schlagzielen gut, vor allem dann, wenn er gut erholt aus dem Urlaub kommt.

Diesmal war Sergej Kirijenko Opfer der überraschenden Entscheidungen des Präsidenten. Erst im März hatte er jenen Mann abgelöst, der nun wieder sein Nachfolger werden soll: Viktor Tschernomyrdin. Diesem hatte Jelzin vorgeworfen, in der Wirtschaftspolitik versagt zu haben - und nun soll er wieder antreten, die Finanzkrise zu meistern.

Überraschende Absetzungen ganzer Kabinette und einzelner Minister hat es in den Jahren der Ära Jelzin öfters gegeben. Auch daß einzelne schon einmal abgesetzte Politiker erneut geholt wurden, gab es schon. Aber diesmal stellt Tschernomyrdin Bedingungen: Er will sich seine Mitarbeiter selbst aussuchen. Er verbittet sich jede Einmischung des Präsidenten in die Regierungsarbeit. Wird Jelzin ihm das zugestehen?

Boris Jelzin hat nicht zufällig den alten Zarenadler zum Wappentier des wiedererstandenen Rußlands gewählt. Machtwille, Sprunghaftigkeit, Selbstherrlichkeit liegen durchaus in Stil und Tradition der Vorgänger auf dem Zarenthron. Und wenn man Beobachtern glauben kann, behandeln westliche Medien Jelzins Alkohol- und Gesundheitsprobleme mit wesentlich mehr Zurückhaltung als die Sexprobleme des amerikanischen Kollegen.

Aber abgesehen von diesen wäre es nicht nur für Jelzin eine schier unlösbare Aufgabe gewesen, nach 70 Jahren Diktatur und Planwirtschaft (und mit der Tradition des Zarenreichs im Hintergrund) aus Rußland in wenigen Jahren eine funktionierende Demokratie zu machen.

Nun hat Jelzin selbst Tschernomyrdin als seinen Nachfolger nach 2000 vorgeschlagen. Dieser wird nicht nur Herkuleskräfte benötigen, um einen Augiasstall von Korruption, Mißwirtschaft und Mafia auszuräumen, sondern auch um sich ebenso gegen einen unberechenbaren Vorgänger wie gegenüber einer skeptischen Duma durchzusetzen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung