Was ist mit der FPÖ los?/Aufräumen mit Jörg

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Aufräumen mit Jörg ist angesagt. Unter dem Teppich hat sich schon eine ganze Menge Mist angesammelt.

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Aufräumen mit Jörg ist angesagt. Unter dem Teppich hat sich schon eine ganze Menge Mist angesammelt.

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Jörg Haider sieht zur Zeit nicht so gut aus. Verbissenheit paßt nur unzureichend zur dynamisch-gebräunten Strahlemannfassade. Die Freiheitlichen haben Probleme, und es gelingt ihrer Führung und ihren Funktionären nur sehr schlecht, das hinter dem Gebrüll des Gegenangriffs zu verbergen.

Die FPÖ wird immer mehr zu einer ganz normalen Partei mit ganz normalen Mandataren, die für Korruption und Kriminalität so durchschnittlich anfällig sind wie alle Mandatare. Das ist es, was die FPÖ-Funktionäre zur Zeit auch immer wieder betonen und beweisen wollen: Daß nicht nur in ihren Reihen unschöne und unrechtmäßige Dinge vorgehen. Und das wäre auch in Ordnung, hätten sich die Freiheitlichen nicht all die Jahre lang als jene Truppe von Aufpassern geriert, die sofort den Finger drauflegt, wenn woanders unschöne und unrechtmäßige Dinge passieren. Weil der weiße Fleck, den ein verpuffter Heilgenschein hinterläßt, halt stärker auffällt, als kein Heiligenschein, wo kein Heiligenschein war.

Es wäre falsch zu behaupten, Jörg Haider habe die Kontrolle über seine Partei verloren. Viel eher sieht es im Moment so aus, als habe Haider schon in der Vergangenheit weit weniger Kontrolle über seine Partei gehabt, als man von außen vermutete: Hatte Haider seine FPÖ doch immer als Führerpartei verkauft, als ein rigide regiertes Unternehmen, dessen Mitarbeiter von ihrem Chef in ehrfürchtigem und furchtsamem Respekt politische Weisungen entgegennehmen und befolgen. Allerdings bekam dieses Bild einen Knacks, als der Chef seine Macht erst in Tirol und Kärnten, so richtig brutal aber in Salzburg demonstrieren mußte. Doch in dem Augenblick, in dem Macht Demonstration braucht, ist sie bereits keine mehr: Wahre Macht braucht weder den Beweis noch die Rechtfertigung ihrer Existenz. Die Qualität von wahrer Macht manifestiert sich unter anderem darin, daß sie keine Manifestation benötigt.

Haider hat die Manifestation seiner Macht in letzter Zeit mehr als einmal notwendig gehabt; tatsächlich erschöpften sich seine Auftritte in den vergangenen Wochen vorwiegend darin, daß er kam, sah und mit seinem Rücktritt drohte. ,,Die Vertrauensfrage stellen", heißt das im politischen Jargon; ,,die Machtfrage klären" wäre wohl richtiger. Und wenn, wie es immer heißt, auch Wissen Macht ist, bringt gerade die Affäre Rosenstingl Haider in dieser Hinsicht in eine gewaltige Zwickmühle: Weil der machtvolle Führer, den Haider über all die Jahre markiert hat, eigentlich gewußt haben müßte, was seine Mandatare so treiben. Haider kann es sich nun allerdings überhaupt nicht leisten, gewußt zu haben, was sein Mandatar Rosenstingl so getrieben hat, weil er sich damit strafbar machen würde. Haider hat's nicht leicht im Augenblick.

Ein Rosenstingl macht noch keinen Herbst, und eine Niederlage führt noch nicht zum Untergang. Allerdings häufen sich die Niederlagen der FPÖ in letzter Zeit bedenklich, und sie haben Namen: Sie heißen Meischberger und Haberler, sie heißen Schnell und Rumpold, und sie ergeben insgesamt das Bild einer Partei, in der das angewandte Strizzitum, das Nehmen und das Greifen überhand nimmt. Walter Meischberger hat versucht, Schwarzgeld am Finanzamt vorbei zu schmuggeln. Wolfgang Haberler läßt sich mit einem Gewehr in einem kroatischen Schützengraben fotografieren. Karl Schnell wird beim Datenklauen erwischt. Gernot Rumpold mußte sich gerade vor Gericht verantworten, weil er während einer Veranstaltung einem Anwalt ziemlich handgreiflich an die Hoden gegangen war, nachdem dieser sich darüber beschwert hatte, daß Rumpold seiner Frau Wein übers Kleid geschüttet hatte.

Und in seiner neuen Ausgabe berichtet der ,,Falter" über den St. Pöltner FPÖ-Stadtrat Franz Miksch und dessen Anlageberatungsgeschäfte - die Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer führt darüber bereits einen ansehnlichen Akt. Sind das die Saubermänner, die Österreich aufräumen wollten?

Vorläufig hat die FPÖ bei sich zu Hause mehr als genug zu tun. Jörg Haider hat allen Grund, seine Mannen beim Mistkübelruntertragen anzutreiben. Es ist ein bißchen wie in jener Folge der Zeichentrickserie ,,The Simpsons", in der Mama Marge, die ihr Haus für gewöhnlich mit straffer Hand regiert, ein paar Tage nicht daheim ist (sie sitzt wegen Ladendiebstahls im Gefängnis). Als sie zurückkommt, wogt unter ihr meterhoch der Wohnzimmerteppich von dem ganzen Mist, den ihre Familie in der Zwischenzeit darunter entsorgt hat. Ein schönes Bild, irgendwie. Marge Simpson hat gegenüber Jörg Haider allerdings den Vorteil, eine Comic-Figur zu sein, und die können nicht nur schneller und gründlicher saubermachen als richtige Menschen, sie kriegen auch mit dem Ende jeder Folge die Fehler und Patzer, die sie darin gemacht haben, ausradiert. Jörg Haider wird wohl noch ein paar Folgen lang auf den Wogen des FPÖ-Mists balancieren müssen. Er wird noch länger nicht besonders gut aussehen.

Die Autorin ist stellvertretende Chefredakteurin der Wiener Wochenzeitung "Falter".

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