Was kommt nach Gerhard Zeiler?

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Vor einer gedeihlichen Reform bedarf es eines weiteren Rückzugs der Parteien aus dem ORF. Alles andere wäre Kosmetik.

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Vor einer gedeihlichen Reform bedarf es eines weiteren Rückzugs der Parteien aus dem ORF. Alles andere wäre Kosmetik.

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Viel ist zuletzt rund um die für Oktober geplante Übersiedlung von ORF-Generalintendant Gerhard Zeiler nach Köln an die Spitze des kommerziell erfolgreichsten Privatsenders Europas, RTL, analysiert, kommentiert, interpretiert, lamentiert - und gefaselt worden. Bisweilen schien es, als sei das ORF-Loch der Nabel der Alpenrepublik.

Nach diversen Hintergrund-Gesprächen und nach Studium von vielem, was da zu Papier gebracht wurde, meine ich: Es ist alles viel simpler, als uns atemlose News-Produzenten oder entgeisterte Politik-Amateure weismachen wollen: Der in Österreich erfolgreiche TV- und Radio-Manager Gerhard Zeiler bekam ein lukratives Angebot, das der in vollem beruflichen Saft stehende 43jährige ganz einfach nicht ausschlagen wollte. Zum einen ist der ORF mit einem Umsatz von rund zehn Milliarden Schilling nur ein kleiner Bruder von RTL mit einem Jahresumsatz von 22,7 Milliarden Schilling. Zum anderen wird Zeiler in Deutschland mindestens das Doppelte, wahrscheinlich aber sogar knapp zehn Millionen Schilling pro Jahr verdienen; ein passables Körberlgeld.

Etwas hoppadatschert war vor diesem Hintergrund Gerhard Zeilers weinerliche Begründung für seine endgültige Entscheidung, es hätten ihn die ORF-Kuratoren Ernst Strasser (neuer Klubobmann der VP-NÖ) und Heinz Doucha (früher SPÖ-Zentralbetriebsratsobmann und nunmehr als hochbezahlter Frühpensionist ein Handlanger der FPÖ) zu sehr genervt. Er sei nicht gewillt, sich von ihnen attackieren zu lassen. Außerdem habe ihn ein Drittel des Aufsichtsgremiums nicht wirklich gewollt. Zeiler ein Mobbing-Opfer? Sicher nicht. Würde diese seine Erklärung auch nur ansatzweise stimmen, dann stünde es um seine Zukunft ganz ganz schlecht: Bei RTL hat es der smarte Ottakringer mit ganz anderen Kalibern als mit Strassers und Douchas zu tun. CLT-Ufa-Boß Rolf Schmidt-Holtz etwa hatte sich nicht einmal gescheut, das TV-Urvieh und RTL-Trivialgenie Helmut Thoma wegen liderlicher Sager frühzeitig abzuberufen und an die RTL-Beiratsspitze wegzuloben.

Auch das endlose Gejeier über die Umwandlung des ORF in eine AG (oder auch nicht) kann nur als vorgeschobenes Argument gewertet werden. Mit Zeilers Führungsqualitäten und unter Assistenz des kongenialen Generalsekretärs und besonders tüchtigen Radio-Reformers Gerhard Weis wäre der erfolgreiche ORF-Kurs wie bisher auch ohne die Rechtsform einer AG weiter zu fahren gewesen.

Selbst die fehlende Programmhoheit des GI, die von der SPÖ weiland in die sogenannte Lex Bacher reklamiert worden war, kann kein Grund für Zeilers Abwanderung nach Deutschland sein: Selbstverständlich entschied Zeiler - vor allem über das Programm. Und das ist okay: Schließlich mußte er für das, was da gegen Zwangs-Entgelt und Spot-Erlöse in die heimischen Wohn- und Schlafzimmer geliefert wurde, geradestehen: vor dem Publikum, vor der Werbewirtschaft und vor jenen Politikern, die den ORF noch immer als ihr wichtigstes Machtinstrument sehen; und die ziemlich nervös agieren, weil die kommende Nationalratswahl mitten in die Funktionsperiode des nächsten Generalintendanten fällt.

Ausnahmsweise teile ich die "Standard"-Meinung von Politik-Soletti ("Immer dabei") Anton Pelinka über die Parteien im ORF: "Die Parteien können fast nichts mehr. Wahrscheinlich ,halten' sie sich deshalb auch den ORF, um hier - in einer rückwärtsgewandten Utopie - noch den guten alten Parteienstaat zu genießen."

Die recht einfache Antwort für Zeilers Rückkehr nach Deutschland gab trotzdem sein Vorgänger Helmut Thoma, als er nach eventuellen rotweißroten Ambitionen befragt wurde: "Wer den FC Bayern trainiert hat, der wird nicht Coach von St. Pölten", tönte er aus dem Abseits. Jetzt steigt Zeiler eben in die nächste Liga auf. Irgendwie ist es schade um ihn. Er hat professionell agiert, seinen roten Sekretär-Habitus endgültig abgestreift, und ein hervorragendes wirtschaftliches Ergebnis präsentiert.

Nicht nur diese Bilanz macht die Nachfolge, die vor allem die SPÖ und ihren plötzlich ziemlich alt ausschauenden Strategen Rudas in die Bredouille stürzt, ziemlich unattraktiv: Es kann nur schlechter werden. Da ist die neue, durch den angekündigten Zeiler-Abschied aus den Schlagzeilen gedrängte Privatradio-Situation, die die Cashcow Ö3 Hunderte Werbe-Millionen kosten wird, aber auch die - hoffentlich baldige - Ermöglichung von privatem Fernsehen.

Selbst die dann und wann geäußerte Vermutung, Zeilers Abschied könnte als heilsamer Schock die politische Erstarrung lösen und eine umfassende ORF-Reform ingangsetzen, bezweifle ich: Das Vertrauens-Klima zwischen SPÖ und ÖVP ist seit dem Bank-Austria-CA-Putsch derart nachhaltig gestört, daß vor und hinter jedem Konzept parteipolitische Arglist vermutet wird. Dies ist kein Boden, auf dem eine Reform des ORF samt eindeutiger Formulierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags gedeihen kann. Das ist auch eine schlechte Ausgangsbasis für jeden Zeiler-Erben.

Der Autor ist Chefredakteur von "Der Österreichische Journalist", Präsident des Friedrich-Funder-Instituts für Publizistik und Mitglied des Hörfunk-Beirats im Bundeskanzleramt.

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