Musicaltexte müssen nicht banal sein, das zeigen viele auf literarischen Vorlagen basierende Stücke. Brigitte Fassbaender hat auf Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig“ zurückgegriffen, um mit dem deutschen Komponisten Stephan Kanyar ein Musical zu kreieren. "Shylock“ wurde am Tiroler Landestheater unter dem Dirigat des Komponisten uraufgeführt.
Nein, Shylock ist am Innsbrucker Rennweg nicht der große Bruder von Tevje, dem Milchmann. Sondern der reiche, intellektuelle Venezianer, bei dem sich der Handelsherr Antonio Geld für die Heirat seines Freundes leiht. Sollte er die Summe nicht fristgerecht zurückzahlen, kann Shylock ein Pfund Fleisch aus seiner Brust schneiden. Der Fall tritt ein, Shylock bleibt unerbittlich.
Da setzt Fassbaenders Interesse ein: Was ist der Grund für Shylocks abgrundtiefen Hass auf Antonio? Es ist heute klar, dass Shakespeare, zu dessen Zeit in England die Juden verbannt waren, mit seinem Theaterstück nicht Antisemitismus, sondern die Darstellung des Außenseitertums anstrebte. Fassbaender erweitert die Handlung um eine fiktive Biografie, zeigt in Rückblenden die beiden Jungen nebeneinander aufwachsen, Shylock und Antonio, Jude und Christ. Shylock als Kind von Antonio drangsaliert, auch als junger, begabter Mann ausgegrenzt. Endlose Unterdrückungs- und Verletzungsmechanismen.
Einprägsame Songs, große Gefühle
Kanyars Musik hat mit einprägsamen Songs und großen Gefühlen beste Musicaleigenschaften, aber auch symphonische Qualität. Aus dem Orchestergraben weht ein Hauch von Klezmer nur, wenn Shylock von den anderen auf das jüdische Klischee reduziert wird. Insgesamt kein Abend zur Berieselung. Pierre Wyss inszeniert in Helfried Lauckners venezianischen Galerien straff und verständlich, nur die Gerichtsszene bockt. Grandios mit Kopf und Herzblut Chris Murray als Shylock, edel die Herren Peter Bording (Antonio), Matthias Stockinger (Bassanio) und Ansgar Matthes (Lorenzo), schwach die Portia von Anna Veit.
Weitere Termine
18. Mai, 10., 18., 28. Juni, 1., 6. Juli
