Was Menschen in Bewegung setzt

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4000 Kilometer Pilgerwege hat Österreich Wanderfreudigen anzubieten. Ein Pilger-Experte erzählt, wohin diese Wege führen und was die Beweggründe sind zu pilgern.

"Der Weg ist nicht das Ziel“, korrigiert Anton Wintersteller ein altbekanntes Sprichwort: "Der Weg führt uns zum Ziel. Er ist wesentlich, aber er ist nicht das Ziel.“ Das gilt zumindest beim Pilgern. Und für das Leben, insofern der Pilgerweg auch ein Sinnbild des Lebensweges sei. Diese Überzeugung vertritt der Salzburger Pilgerexperte und begeisterte Pilger, Anton Wintersteller. Mit dem Erwachen der Natur im Frühling erwacht in vielen Menschen auch die Begeisterung für die Bewegung in der Natur, für das Wandern. Zwar habe auch das Wandern seinen Wert und könne Menschen inspirieren, erklärt Wintersteller, aber vom Pilgern unterscheide es sich noch einmal: Pilgern habe für ihn einen Zusatznutzen.

Äußerlich sind keine Unterschiede auszumachen: Beim Wandern genauso wie beim Pilgern benötigt man die gleiche Kleidung, die gleiche Ausrüstung. "Aber innerlich ist es ein wesentlicher Unterschied.“ Die Einstellung, mit der man sich auf den Weg macht, sei entscheidend: "Man hat andere Ziele und Motive“, erklärt Wintersteller, der über viele Jahre Leiter des Referates für Tourismuspastoral der Erzdiözese Salzburg war. Gründe zu pilgern gebe es viele. Für Wintersteller, der am Jakobsweg auf den Geschmack gekommen ist, war es der Wille, Abstand vom Alltag zu gewinnen. Das sei ein Beweggrund, den viele hätten. Natürlich spielen auch spirituelle Gründe eine wichtige Rolle: "Für den einen ist es das Hauptmotiv, für den anderen kommt das erst im Lauf der Zeit.“ Die spirituellen Erfahrungen, die Pilger machen können, fasst Wintersteller zusammen: Beim Pilgern "muss ich mich auf etwas einlassen. Ich weiß nicht genau, ob es auch gelingt. Vielmehr weiß ich ganz genau, dass es nicht in meiner Hand, sondern an einer anderen Macht liegt, wie dieser Weg ausgeht“.

"Pilgern erdet und himmelt“

Sich auf den Weg zu machen, das hat für Wintersteller etwas mit Spiritualität zu tun. "Pilgern erdet und himmelt“, sagt er: Einerseits hole es aus den alltäglichen Verpflichtungen und Verflechtungen auf den Boden zurück. Auf der anderen Seite verweise es auf die "gute Führung von oben“, wie Wintersteller sagt, die Führung, die entscheidet, ob das, was man sich erwartet hat, gelingt. Pilgern kann auch eine Form des Fastens darstellen, bei der man auf Gewohntes verzichtet und sich körperlichen und geistigen Anstrengungen stellt. In der Karwoche greifen die "vorösterlichen Pilgerwanderungen“ diese Verbindung auf und laden in Salzburg, Tirol, Ober- und Niederösterreich und der Weststeiermark mit einem Pilgertag zur Einstimmung auf das Osterfest ein.

Rund 4000 Kilometer Pilgerwege gibt es allein in Österreich, für die meist bestehende Wanderwege genützt werden. Diese führen die Menschen vor allem zu den drei Pilgerzielen Mariazell, Gurk und St. Wolfgang. Neben den sechs "alten“ Pilgerwegen zum steirischen Marienwallfahrtsort entstehen zur Zeit auch neue Initiativen in Ungarn, die noch weitere Wege erschließen wollen. Sieben Routen mit insgesamt 850 Kilometern zählen zu den Hemma-Pilgerwegen. Aus Friaul, Slowenien und der Steiermark besuchen auf diesen Wegen Pilger das Grab der heiligen Hemma in Gurk. Im Salzkammergut lockt St. Wolfgang die Pilger an. Im Mittelalter ein beliebtes Wallfahrtsziel, wurde der Ort jetzt wieder neu entdeckt. Sowohl die Via Nova als auch alte Wolfgang-Wege, der St. Rupert-Pilgerweg und der Salzburger Mariazeller Weg führen durch bzw. nach St. Wolfgang. Daneben ist auch die Stadt Salzburg selbst Anziehungspunkt von Pilgern. Informationen dazu unter www.pilgerwege.at und www.pilgern.at.

Die zahlreichen Marien-, Christus- und Heiligenwallfahrtsorte in Oberösterreich und die Pilgerwege, die zu ihnen führen, fasst der Volksfrömmigkeit-Forscher Peter Pfarl in seinem Buch übersichtlich zusammen. Der Autor führt auch die Ursprünge vieler christlicher Wallfahrtsziele an, die oft auf alte Steinkulte, Baumheiligtümer oder Quellen zurückgehen sollen. Quer durchs Land führt auch der österreichische Jakobsweg, der zum europaweit bekanntesten Pilgerweg, dem Jakobsweg, gehört. Das Netz an Wegen, das sich über den gesamten Kontinent spannt, führt schon seit dem 11. Jahrhundert Menschen an das Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela in Spanien. Im Jakobusjahr 2010 kamen mit dem "Jakobsweg Weinviertel“ 162 Kilometer neu hinzu. Die Teilstrecken des Jakobsweges nehmen in Österreich eine besondere Stellung ein und verbinden das Land im Westen auch mit Ungarn (www.jakobswege-a.eu, www.jakobsweg-weinviertel.at).

Über Ungarn, den Balkan, die Türkei, Syrien und Jordanien nach Jerusalem machten sich vor genau zwei Jahren auch Pilger der besonderen Art auf. Dass man auch mit dem Rad pilgern kann, bewiesen 20 Männer und Frauen, die 3712 Kilometer von Wien bis Jerusalem unterwegs waren. Von den vierzig Tagen, die sie dabei für den Frieden im Nahen Osten unterwegs waren, erzählt Josef Mann in seinem Buch "Nie wieder Jerusalem?“ und nimmt den Leser mit auf die Friedensradfahrt ( www.mannundskript.com).

Dass das Pilgern gegenwärtig eine Renaissance erlebt, ist unbestritten. Anton Wintersteller dazu: "Die Pilgerbewegung ist eine starke Bewegung, die in die Zeit hineinpasst.“ Er ist überzeugt, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende Erscheinung handelt: "Manches ist ein Strohfeuer. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Menschen sich auch in zehn Jahren noch auf den Weg machen wollen.“

Pilgerwege in Oberösterreich

Von Peter Pfarl, Edition Oberösterreich

2010. 214 Seiten, geb., e 24,95

Unterwegs

Für Anton Wintersteller verschwinden soziale Schranken unterwegs: "Ob Arzt oder arbeitslos, am Pilgerweg sind alle gleich.“ Erkennungszeichen am Jakobsweg ist die Muschel (re.).

Informationen zum Pilgern

Ausführliche Informationen zu den Pilgerwegen in Österreich liefern im Internet: www.pilgern.at, www.pilgerwege.at, www.jakobswege-a.eu, www.jakobsweg-weinviertel.at.

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