Was uns die Körper erzählen

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Gesten in der Kunst seit den 1970er Jahren als Thema einer Wiener Ausstellung.

Auf einem Bildschirm ist das Porträt einer Frau in Frontalansicht zu sehen. Mit beiden Händen berührt sie ihr Gesicht - streicht über die Wangen, bedeckt die Augen. Der Ausdruck verändert sich ständig, wechselt zwischen Lächeln und ernstem Schauen. Gestures nennt sich das Schwarzweißvideo von Hannah Wilke aus dem Jahr 1974. Es ist Teil einer Ausstellung der Wiener Generali Foundation, die sich dem Körper in seiner Sprachlichkeit widmet.

Gebärdensprache

Bereits der von dem Philosophen Gilles Deleuze übernommene Satz "Dass die Körper sprechen, auch das wissen wir seit langem" als Titel der Schau verweist auf den theoretischen Hintergrund. Anhand von 23 künstlerischen Positionen gehen Hemma Schmutz und Tanja Widmann der Körpergeste in all ihrer Vieldeutigkeit und Widersprüchlichkeit nach. Wegweisend war für die beiden Kuratorinnen neben Gilles Deleuze der Kunstwissenschafter Aby Warburg, der in den dreißiger Jahren eine kulturwissenschaftliche Studie über die Gebärdensprache machte, bei der er die "Pathosformeln" der Antike mit jenen der Renaissance verglich. Anhand von 79 Bildtafeln zeigte Warburg in seinem "Mnemosyne Atlas" auf, dass ein und dieselbe Geste in unterschiedlichen Epochen und Zusammenhängen einmal Angst, einmal Freude, einmal Aggression ausdrücken kann. Warburgs Ansatz wird in der Generali Foundation anhand von unprätentiös an die Wand gehefteten Reproduktionen zitiert.

Angst, Freude, Aggression

Abgesehen davon ist die Ausstellung keineswegs historisch orientiert. In vier Abschnitte ("Manöver", "Ich mache Kunst", "Masken" und "Men in the Cities") gegliedert, präsentiert die Schau Bilder, Zeichnungen, Fotos, vor allem aber Videos von Künstlern wie Allan Kaprow, Rosemarie Trockel, Martha Jungwirth und Maria Hahnenkamp. Zeitlich wird ein Bogen von den frühen siebziger Jahren bis heute gespannt. Im Vordergrund steht nicht die große, dramatische Körpergeste, sondern der subtile Umgang mit der Gebärdensprache. Wildes lautes Agieren als Ausdruck künstlerischer Freiheit wird ironisiert - etwa in John Baldessaris 1971 entstandenem Video "I Am Making Art". Diesen Satz spricht Baldessari in dem gleichnamigen Video immer wieder aus und agiert dabei heftig gestikulierend mit seinem Körper. Dass er dabei den Akt der exaltierten Geste, das Schwingen des Pinsels, wie ihn die Maler des Action Painting der sechziger Jahre noch praktizierten, auf die Schaufel nimmt, ist unübersehbar.

Ganz anders thematisiert Mary Kellys kurzer Film "Antepartum" Körpersprache in Zusammenhang mit dem Künstler-Dasein. In dem unspektakulären, aber einprägsamen Video berühren die Hände der Künstlerin ihren schwangeren Bauch. Kelly spricht hier ihre Doppelrolle als Künstlerin und Mutter an.

Der Körper der Künstlerin

Nicht alle gezeigten Arbeiten erscheinen so passend dem Themenbereich zugeordnet wie diese beiden Videos. Dies liegt wohl an der Breite des Themas, denn im Grunde gibt es nur wenige historische oder zeitgenössische Werke, die nicht in irgendeiner Form mit Körpersprache zu tun haben.

Ganz dem Programm der Generali Foundation entsprechend, richtet sich diese sehenswerte Ausstellung an ein ausgewähltes Publikum. Wer die Schau bereichert verlassen will, muss sich viel Zeit nehmen, um die Videos in Ruhe anzusehen. Vor allem wird der Besuch, wie meist bei theorieorientierten Ausstellungen im nachhinein besonders spannend, wenn man den Katalog und die begleitenden Texte studiert und erst richtig auf den Geschmack kommt, das Thema selbst im Alltag weiterzuverfolgen. Anlass dazu hat man genug: Man muss nur den Ton des Fernsehers abdrehen, wenn etwa eine Parlamentsdebatte übertragen wird. Dann lassen die Körpergesten der Politiker eine Sprache erkennen, die auch ohne Worte Bände spricht.

"Dass die Körper sprechen, auch das wissen wir seit langem"

Generali Foundation,

Wiedner Hauptstraße 15, 1040 Wien, Bis 25. 4. Di -So 11-18 , Do bis 20 Uhr, www.foundation.generali.at

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