Was uns die Prinzipalin schenkt

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Die Theatergurus sind besorgt. Die neue Direktorin des Wiener Volkstheaters, Anna Badora, habe zum Einstand nicht den erwarteten großen Erfolg, ihre ersten Premieren seien misslungen, und das Publikum bliebe oft aus. Die Frau geht nicht auf Nummer sicher. Na, so etwas! Sie riskiert etwas. Sie bietet Theater ohne Netz und tastet das Wiener Terrain und die Unsicherheiten und Gefahren unserer Zeit ab. Lösungen bietet sie keine.

Sie leistet sich etwas. Offene Theaterformen. Die Möglichkeit zu experimentieren und zu scheitern. Die Verweigerung provinzieller Perfektionsansprüche und aller scheinbar garantierten Erfolgsrezepte. Badora setzt auf Zeit, und das erfordert Durchhaltevermögen und Mut. Sie hat den steinigen und unbequemen Weg gewählt. Den ist man der Geschichte dieses einst so wichtigen Theaters schuldig. Vor allem aber hat Badora schon jetzt den Wienern etwas gegeben, das in dieser Stadt schmerzlich verloren gegangen ist.

Wie in den Produktionen von Yael Ronen aktuelle Themen wie Flüchtlinge, Migrationsprobleme und Auflösung herkömmlicher Familienstrukturen mit scheinbarer Leichtigkeit und einem Humor behandelt werden, der jüdischer und weiser gar nicht sein könnte, ist sehenswert. Dieser Humor war einst Bestandteil unserer Kultur und nicht einmal den Nazis ist es gelungen, ihn zu vernichten. Erst der satte und platte Wohlstand der letzten Jahrzehnte hat ihn uns ausgetrieben. Aggression und vordergründige Wut sind an seine Stelle getreten. Der Verlust unserer Sprache hat dazu beigetragen. In verknapptem Gestammel ist kein Platz mehr für das "zwar und aber" und schon gar keiner für Zwischentöne. Badora hat uns in Yael Ronens Produktionen "Lost and Found" und "Hakoah Wien" daran erinnert, dass ein Leben ohne Humor nicht lebenswert sein kann.

Der Autor ist Kulturmoderator beim Privatsender ATV

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