Was von der SP-Agrarpolitik blieb

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Differenzen zwischen Regierung und Sozialpartnern sind nichts Neues: In der Ära Kreisky demonstrierten die Bauern lautstark gegen die SP-Regierung

Die innenpolitischen Turbulenzen seit der Angelobung der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung am 4. Februar 2000 und die derzeitigen Auseinandersetzungen der schwarz-blauen Koalition mit den Sozialpartnern über die Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger haben vergessen lassen, dass zwischen 1970 und 1986 der ÖVP-Bauernbund bundesweite Demonstrationen ("Stellt die Regierung!") veranstaltet hatte.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) organisierte heuer im Juli eine große Protestkundgebung gegen die Reformpläne der Bundesregierung, hohe ÖGB-Funktionäre sehen die Sozialpartnerschaft, ein bewährtes österreichisches Spezifikum nach 1945, extrem gefährdet. Das Idol des ÖGB, Anton Benya, fast 90 Jahre alt, rief erregt am 5. Juli 2001 zur Kundgebung: "Wir kommen wieder." Ähnliche Worte verwendete der frühere Landeshauptmann von Niederösterreich und Obmann des Bauernbundes, Andreas Maurer, bei der großen "Josefi-Demonstration" am 19. März 1971.

Der damalige Direktor des Österreichischen Bauernbundes, Sixtus Lanner berichtete vor kurzem in der ORF-Sendung "Zeitzeugen", wie ihn Bruno Pittermann, der langjährige SPÖ-Vizekanzler und Parteiobmann, im Parlament ersuchte, die Bauern mögen ihre aggressive Haltung gegen die Regierung aufgeben. Er erinnerte den jungen Tiroler Parlamentarier, der später ÖVP-Generalsekretär werden sollte, an die Ereignisse im Jahr 1934.

Viele Kundgebungen

Am 19. April 2001 hätte der moderate SPÖ-Landwirtschaftsminister, Oskar Weihs (Minister von 1970 bis1976), sein 90. Lebensjahr vollendet und im Juni dieses Jahres wurde sein Nachfolger, der von ihm wenig geliebte Günter Haiden, 75 Jahre alt. Diese beiden von ihrem Wesen und ihrem politischen Werdegang so unterschiedlichen Persönlichkeiten prägten die sozialistische Agrarpolitik in den Jahren der Kreisky-Alleinregierungen und der SPÖ/FPÖ-Koalition.

In diesen 16 Jahren zwischen 1970 und 1986 gab es zahlreiche Bauernkundgebungen in Wien. Und trotzdem haben Anton Benya, Rudolf Sallinger, Roland Minkowitsch, Bauernbundpräsident von 1970 bis 1980 und Hans Lehner, Vorsitzender der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, immer wieder einen Weg gefunden, um konsensuale Lösungen auszuhandeln. Der ÖGB sollte sich daran erinnern und nicht mutwillig die politische Kultur im Land gefährden!

Die Ausgangslage aus agrarpolitischer Sicht war 1970 klar:

* Der Agrarmarkt war unter fast totaler Ausschaltung des Wettbewerbs mit Preis- und Absatzgarantien geregelt, die Abwicklung der land- und forstwirtschaftlichen Förderungen entsprach einem eingespielten Ritual zwischen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft und den Landwirtschaftskammern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes und auf Grundlage einschlägiger, meist einvernehmlich ausgehandelter Sonderrichtlinien und dem Bundesministerium für Finanzen.

* Reformen waren nur im Wege sozialpartnerschaftlicher Verhandlungsergebnisse auf der Grundlage eines Interessensabtausches zu erzielen, nicht selten war der Landwirtschaftsminister nur Durchführungsorgan dieses lange erprobten politischen Szenarios.

* Bewegung in die österreichische Agrarlandschaft kam, als Bundeskanzler Bruno Kreisky, der ein eigenartiges, originell-ambivalentes Verhältnis zu Bauern und Agrarpolitik hatte, immer deutlicher versuchte, den ÖVP-Bauernbund als möglichen Koalitionspartner zu gewinnen und dadurch Zwiespalt in die Volkspartei, aber auch zwischen Bauernbund und Landwirtschaftskammern, trug.

Mit seiner Vision von einer politischen Partnerschaft zwischen Arbeitern und Bauern stiftete der politisch rührige und nie um neue Ideen verlegene Regierungschef daher einige Verwirrung in den Reihen der ohnehin frustrierten Volkspartei, was von den Zeitungen auch entsprechend kommentiert wurde.

Bergbauern gefördert

Die SPÖ hat sich in den Jahren der Großen Koalition von 1987 bis zum Jahre 2000 von der Agrarpolitik weitgehend zurückgezogen. Heute stellt sich die Frage, was von der SPÖ-Agrarpolitik noch geblieben ist.

Die Meilensteine zwischen 1970 und 1986 waren zweifellos die Einführung der Bergbauern- und Grenzland-Sonderprogramme mit dem Bergbauernzuschuss (heute Ausgleichszulage), die mehrfache Anpassung des komplizierten Marktordnungssystems im Getreide-, Vieh- und Milchbereich, das neue Forstgesetz 1975, zahlreiche handelspolitische Aktivitäten sowie die ökologische Neuorientierung der Wasserwirtschaft.

Schon in den achtziger Jahren gab es Ansätze von umweltbezogenen Reformmaßnahmen, auf die von der heutigen Agrarpolitik aufgebaut werden konnte. Förderungen für den Biolandbau, Ansätze für ein Bodenschutzkonzept, Maßnahmen gegen das Waldsterben und für die Reinhaltung der Gewässer sowie Weichenstellungen für eine neue Politik auf der Ackerfläche durch den verstärkten Anbau von Eiweißpflanzen verdienen, aus dieser Zeit hervorgehoben zu werden.

Der letzte SPÖ-Landwirtschaftsminister der Ära Kreisky/Sinowatz, Erich Schmidt, hat in seiner sechsmonatigen Amtszeit die Folgen des Weinskandales 1985 aufgeräumt und die Tür für agrarpolitische Alternativen zusammen mit den Landwirtschaftskammern geöffnet.

Im Juni hat sich die langjährige Regierungs- und jetzige Oppositionspartei SPÖ wiederum agrarpolitisch zu Wort gemeldet und das Programm "Unsere Landwirtschaft geht uns alle an" veröffentlicht. Der von ihr in Zeiten der agrarpolitischen Verantwortung wenig geliebte Biologische Landbau wird in diesem neuen Konzept als agrarpolitisches Leitbild der Zukunft gepriesen und die Umstellung auf eine umweltorientierte Landwirtschaftspolitik gefordert.

Allerdings ist die einleitende Kritik der SPÖ in ihrem neuen Programm, wonach die "Agrarpolitik in der Sackgasse" ist, unverständlich und ungerecht. (Genauso hatte übrigens schon 1969 Josef Staribacher von der Wiener Arbeiterkammer, unter Kreisky Handelsminister, argumentiert). Die Feststellung, die "Konsumenten wurden betrogen", ist angesichts der permanenten SPÖ-Maxime, Nahrungsmittel hätten billig zu sein, unglaubwürdig. Im angespannten innenpolitischen Klima bleibt abzuwarten, ob die große Oppositionspartei, die wieder an die Regierung möchte, an ihre agrarpolitische Tradition anknüpft oder es nur bei harter Kritik an der Regierung bleibt.

Der Autor ist Gruppenleiter im Landwirtschaftsministerium.

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