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Die Vizekanzlerin hat dieser Tage die ÖVP mit ein paar unangenehmen Wahrheiten konfrontiert.

Susanne Riess-Passer ist nicht zu beneiden. Sie ist zum Spagat zwischen dem Klagenfurter Landhaus und dem Ballhausplatz verdammt, von den permanenten personellen troubles auf Bundesebene (aktuell Zierler) sowie in den Landesorganisationen (aktuell Tirol) gar nicht zu reden.

Da kann es schon einmal vorkommen, dass einem der Kragen platzt. An zwei aufeinander folgenden Tagen ließ die Vizekanzlerin ihrem Unmut über den Koalitionspartner freien Lauf: In "Kurier" und "Presse" sprach sie von einem "Doppelspiel" der VP: Diese sei keine Partei, sondern "eine Holding von Bünden und Landeshauptleuten, wo jeder seine eigene Linie hat". Und: "Es ist nicht akzeptabel, wenn man einen Regierungspartner eigentlich unsympathisch findet und ihn nur so duldet, weil man quasi die Krot' halt schlucken muss'".

Das saß. Unnötig zu erwähnen, dass der Kanzler dennoch gelassen blieb. Der hat Wichtigeres zu tun - etwa in Sachen Krisendiplomatie mit dem Bundespräsidenten "Hase und Igel" (A. Rohrer in der "Presse") zu spielen. In einer stillen Stunde wird sich Wolfgang Schüssel indes der Einsicht nicht verschließen können, dass Riess-Passer einige unangenehme Wahrheiten ausgesprochen hat.

Primärer Adressat dieser Botschaften ist natürlich Schüssel selbst. Riess-Passer zielte auf den Parteiobmann. Sie darf zu Recht von ihm erwarten, dass er auch die Musiker auf den hinteren Pulten auf den Kammerton einstimmt. Gefragt wäre freilich auch der Bundeskanzler. Hier läge mehr Entschiedenheit nicht unbedingt immer im Interesse des Koalitionspartners, wohl aber in jenem des leicht überdrüssigen und zahlenden Publikums.

In der Causa Temelín scheint erst der harsche Bescheid von EU-Kommissar Verheugen die FPÖ dazu gebracht zu haben, sich sukzessive von ihrer Radikal-Position (Veto-Drohung) zu verabschieden. Dass die Haltung der VP von Anfang eine andere war, wusste man; ein klares Wort des Kanzlers, auch in Richtung der oberösterreichischen Holding-Mitglieder (mit dem Landeshauptmann an der Spitze), die lustige Grenzblockaden durchführten, vermisste man.

Ähnliches gilt für das Thema EU-Erweiterung: An der Gesinnung der VP-Regierungsmannschaft besteht kein Zweifel. Dennoch hat man zumindest bewusst in Kauf genommen, dass durch FP-Äußerungen zum Thema das Ansehen Österreichs bei den Kandidatenländern nicht eben gestiegen ist.

Verwirrspiel Asyl

Vollends zum Verwirrspiel geriet die Debatte um Sicherheits- und Asylpolitik: Wir hören seitens der FPÖ - vom Kanzler unwidersprochen - ständig, dass sie sich mit ihren Vorstellungen durchgesetzt habe; Klubobmann Khol erklärt flugs ebendiese Vorstellungen zu seinen ureigensten; und der Innenminister hat uns zuletzt völlig darüber im Unklaren gelassen, ob er nun ein "Caritas-Zögling" oder Westenthalers "bester Mann in der Regierung" ist.

Am Rande sei noch angemerkt, dass für die ORF-Spitze mit Jan Mojto jüngst ein Kandidat gehandelt wurde, der gewiss nicht als Garant für mehr Öffentlich-Rechtlich gelten kann. Ebendies aber wurde mit großer Emphase vor allem seitens der VP als eines der zentralen Ziele der ORF-Reform verkauft. Dass Mojto ein Privat-TV-Mann ist, fällt nun offenbar weniger ins Gewicht als das Bestreben, einen als FP-kritisch geltenden Kandidaten wie Peter Rabl zu verhindern. Zudem kommt Mojto ja aus dem Kirch-Imperium - das als ideologisch zuverlässig gelten kann.

Noch mehr zu schaffen machen sollte Schüssel aber wohl das von Riess-Passer kritisierte "Doppelspiel" seiner Partei. Man mag Individualismus und eigenständiges Denken mit Recht als bürgerliche Tugenden begreifen - im Gegensatz zur "Ohne die Partei bin ich nichts"-Philosophie. Schüssel wird dennoch mittelfristig den Konflikten nicht ausweichen können. Die Bruchlinien sind im Gesamt-Design der Partei bereits vorgezeichnet, in Zeiten des Wandels und der Krise, wie wir sie jetzt erleben, treten sie aber deutlicher als je hervor.

Um es an Personen exemplarisch festzumachen: Claus Raidl und Fritz Neugebauer werden sich auf Dauer nicht unter einen Hut bringen lassen. Das heißt nicht, dass die VP zwischen Arbeitnehmern und Wirtschaft wählen muss. Es heißt aber, dass sie der eigenen Klientel das als politisch wünschenswert Erkannte vermitteln muss. Gleiches gilt für die Auseinandersetzung mit den Landeshauptleuten, die sich gerne als Stützen der Partei verstehen, deren Zurufe aber oft wohlfeil sind.

Wolfgang Schüssel ist ungeachtet aller Co-Architekten der Wende der Protagonist dieses Projekts. Auf ihm liegt die Hauptverantwortung für das eingegangene Experiment. Eigentlich müsste er es sein, der seine Vizekanzlerin mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert: Riess-Passers Befund über die ÖVP könnte - leicht modifiziert - ebenso gut auf die FPÖ angewandt werden.

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