Weder Germanisierung - noch Irredenta

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Keine Minderheitenfeststellung in Kärnten gegen den Willen der Minderheit. Von Josef Klaus die furche 8. 11. 1975

Die Kärntner Slowenen und ihre Probleme nach dem Abwehrkampf, der Volksabstimmung und dem Friedensvertrag lernte ich schon Anfang der zwanziger Jahre im Klagenfurter Humanistischen Gymnasium, wo etwa ein Fünftel meiner Klassenkameraden Slowenen oder Kroaten waren, kennen. Wie mit den evangelischen Mitschülern war es auch mit den Slowenen. Zuerst standen wir uns wegen der Sprach- und Konfessionsverschiedenheit fremd und fast gehässig gegenüber, es kam zu Streitgesprächen. Langsam begannen wir uns aber zu verstehen, auf einmal gab es viel mehr Gemeinsames als Trennendes. Schließlich wurden lebenslange Freundschaften daraus, die über Gräben und Gräber der furchtbaren Kriegs- und Partisanenzeiten, über die Vertreibungs- und Ausrottungsaktionen hinweg, denen wechselseitig Vergeltungsmaßnahmen folgten, Bestand hatten. [...]

Die Nationalitätenstaaten sollten sich überhaupt mehr mit der psychologischen Situation ihrer ethnischen und sprachlichen Minderheiten befassen, denn diese scheinen immer in einem Zustand des Ringens um Sein oder Nichtsein zu schweben, wodurch einerseits Mißtrauen, Angst und Verzweiflung, anderseits über das Ziel schießende Vorstellungen und Wünsche genährt werden. Hier wäre ferner für eine "politique du coeur" zu plädieren. Die gerechteste und klügste Politik verliert auf diesem Boden an Glaubwürdigkeit, wenn nicht auch das Herz überzeugend mitspricht. Besonders die mehr gefühlsbetonten slawischen Völker sprechen auf eine solche Politik des Herzens an. Sie war ein Geheimnis des Erfolges des Bundeskanzlers und Außenministers Figl im "Umgang mit den Russen".

Nach wie vor bin ich der Auffassung, daß Ansatz und Zielpunkt gemeinsamer neuer Anstrengungen bei der Realisierung der Staatsvertragsverpflichtungen zu suchen sind. Um des äußeren Ansehens und des inneren Friedens willen ist dieses Ziel immer neue Anläufe, aber auch echte Zugeständnisse auf beiden Seiten wert. Wenn ich 1971 schrieb, der Mehrheit gezieme Gerechtigkeit und Großmut, so verstand ich darunter nicht Gnadenerweise, sondern hohe sittliche Verpflichtung - magnanimitas ist der lateinische Ausdruck dafür. Der Minderheit aber geziemt zu ihrem berechtigten Lebenswillen Vertrauen, Vernunft und Realismus. Die Maxime für die Mehrheit muß dabei sein, die Minderheit in ihrer Substanz, sprachlichen und kulturellen Eigenart zu erhalten und zu fördern. Die Maxime für die Minderheit müßte lauten, die in ihrer Existenz und Gleichberechtigung nunmehr gesicherte eigene Volksgruppe in die österreichische Staatlichkeit so zu integrieren, daß für die Slowenen Kärnten eine echte Heimat und Österreich ein geliebtes Vaterland wird, wie es bei den burgenländischen Kroaten und Ungarn längst der Fall ist.

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