Wegbereiter des Barock am Hofe Rudolfs II.

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Adriaen de Vries (1556 bis 1626) war einer der wichtigsten Bildhauer der Renaissance. Eine große Ausstellung in Augsburg würdigt den Meister.

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Adriaen de Vries (1556 bis 1626) war einer der wichtigsten Bildhauer der Renaissance. Eine große Ausstellung in Augsburg würdigt den Meister.

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Der Niederländer Adriaen de Vries zählt zu den wichtigsten Bildhauern des Goldenen Zeitalters. Um 1600 war er in Augsburg tätig und schuf dort, neben anderen Werken, den Merkur- und Herkulesbrunnen für die sogenannte Kaisermeile, heute die Maximilianstraße. Das Augsburger Maximilianmuseum präsentiert zur Zeit eine bedeutende, monographische Ausstellung über den am Prager Hof bei Kaiser Rudolf II. wirkenden Künstler: "Adriaen de Vries 1556-1626. Augsburgs Glanz - Europas Ruhm". Damit widmet - nach dem Rijksmuseum Amsterdam, dem Nationalmuseum Stockholm und The J. P. Getty Museum Los Angeles - nun Augsburg, als seine einzige historische Wirkungsstätte, Adriaen de Vries eine eigene Schau.

Die ausgewählten, hochrangigen Werke (mehr als 40 Bronzen, mehrere Zeichnungen, Druckgraphiken, Gemälden und Reliefs) sind anschauliche Dokumente der künstlerischen Entwicklung von Adriaen de Vries. Darüber hinaus macht die Ausstellung anhand von Modellen das vom Künstler angewandte Wachsausschmelzverfahren in seinen einzelnen Schritten nachvollziehbar und ermöglicht weiters, die technische Raffinesse de Vries' und die Einzigartigkeit seiner Arbeitsweise zu verfolgen.

Wie berühmt der Künstler in seiner Zeit auch war, heute ist er wenig bekannt und dafür gibt es verschiedene Gründe. Sein Stil war derart individuell und eigenwillig, dass es keine große Schar von Nachahmern gab. Zum anderen scharte er keine Schüler um sich, die sein Wissen weitergegeben hätten und schließlich wurde durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges sein Werk in ganz Europa zerstreut.

Adriaen de Vries wurde wohl 1556 in Den Haag als Sohn eines Apothekers geboren. Über seine ersten Schritte als Künstler ist kaum etwas bekannt. Erst in Florenz, im Jahre 1581 lassen sich seine Spuren verfolgen. In der Werkstatt des berühmten italienischen Bildhauers Giambologna schuf er sich die Grundlage für seine spätere Spezialisierung auf Bronzestatuen. Nach seinem ersten größeren Auftrag bei Pompeo Leoni in Mailand arbeitete er als Hofbildhauer für Herzog Emanuel von Savoyen in Turin. Zu diesem Zeitpunkt war de Vries noch weitgehend unbeachtet.

Sein künstlerischer Durchbruch gelang ihm endgültig in der freien Reichsstadt Augsburg mit der Errichtung des Merkurbrunnens (1599) und des Herkulesbrunnens (1602). Hier war de Vries von 1596 bis 1602 tätig. Noch während seines Augsburger Aufenthalts ernannte ihn der Habsburger Rudolf II., von 1576 bis 1612 Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, zum "Kammerbildhauer". De Vries übersiedelte nach Prag und war seitdem ausschließlich für den Kaiser tätig.

Rudolf II. war ein großer Kunstliebhaber und Mäzen. Er besaß eine eindrucksvolle Sammlung von Gemälden, Skulpturen und Kunstobjekten und versammelte viele der berühmtesten Künstler und Gelehrten seiner Zeit um sich in Prag. Der Kaiser zeigte ein persönliches Interesse an der Arbeit der Künstler am Hofe, er besuchte ihre Ateliers, hielt sich über ihre Fortschritte am Laufenden und schlug neue Sujets vor. Dank seines Interesses war der kaiserliche Hof ein dynamisches Zentrum, wo Künstler verschiedener Disziplinen aus verschiedenen Ländern zusammenkommen und Ideen austauschen konnten. Adriaen de Vries bekleidete hier eine wichtige Stelle, der Kaiser war offenbar davon beeindruckt, wie er der rauhen Bronze Leben einhauchte.

Auch nach dem Tode Rudolf II. im Jahre 1612 und der Übersiedlung des Hofes nach Wien blieb de Vries in Prag, wo er zahlreiche Aufträge vom europäischen Hochadel erhielt. Zu seinen Auftraggebern gehörten unter anderen König Philipp II. von Spanien, König Christian IV. von Dänemark und Fürst Albrecht von Waldstein (Wallenstein). Bis ins hohe Alter tätig, starb Adriaen de Vries 1626 im Alter von 70 Jahren in Prag.

Rodin vergleichbar Anfänglich arbeitete de Vries im Stil seines Lehrmeisters Giambologna, der auf dem Gebiet der Bildhauerei einer der Hauptvertreter des europäischen Manierismus war. Ab 1600 entwickelte er einen sehr persönlichen und virtuosen Stil, der sich vielleicht am besten mit den Wörtern "malerisch" und "impressionistisch" beschreiben läßt. Mit einem großen Gefühl für Anatomie, Balance und Kontrabalance modelliert de Vries seine genialen Bronzen. Durch ihre scheinbar unordentliche Ausführung weisen seine Plastiken häufig die skizzenhaften und spontanen Züge der ursprünglichen Wachs- und Tonmodelle auf.

In seinem Spätwerk unterläßt er häufig die Entfernung der Gußkanäle, die er gekonnt, dekorativ ins Kunstwerk einbindet. Die freie Behandlung des Materials ist in seiner Zeit vollkommen einzigartig und läßt sich mit dem Stil Rodins und anderer Bildhauer aus dem 19. Jahrhundert vergleichen. Seine hervorragende Modellierqualitäten sind sowohl bei den lebensgroßen Gartenskulpturen als auch bei den Details kleiner Reliefs erkennbar. In der Übergangszeit vom Manierismus des 16. Jahrhunderts zum Barock des 17. Jahrhunderts unterscheidet sich de Vries als eines der originellsten und schöpferischsten Talente, die dem Barockstil, der sich später vor allem in Italien und Flandern manifestierte, den Weg bereiteten.

Mit "Merkur und Psyche" (Prag, 1593) zum Beispiel zitiert de Vries Giambologna, wobei er stets bestrebt ist, seinen Lehrer zu übertreffen. Hier nimmt er das Problem der Darstellung einer fliegenden Figur auf und wendet es sogar bei einer großformatigen Plastik an, vergleiche auch "Psyche getragen von Putten" (Prag, 1590 bis 1592). Weiters bezieht er sich bei vielen Werken, wie mit "Apollo" (Augsburg, 1595 bis 1597) und der "Laokoongruppe" (Prag, 1623) auf klassische Skulpturen oder auf Werke von Michelangelo. Mit der beeindruckenden "Büste Rudolfs II." (Prag, 1603) setzt der Kammerbildhauer seinem Kaiser ein ewiges Denkmal, gleich den römischen Imperatorenbildnissen. Rudolf II. war ein ausgesprochener Pferdeliebhaber und es ist daher kaum verwunderlich, daß sich de Vries auch mit diesem Motiv auseinander setzte, wobei die Darstellung eines steigenden Pferdes eine enorme Herausforderung bildete.

Eher selten beschäftigte sich der Künstler mit religiösen Motiven: "Christus an der Säule" (Prag, 1613), "Hl. Sebastian" (Prag 1615). Mit "Christus im Elend" (Prag, 1607) nimmt de Vries Anleihe bei der großen Passion von Albrecht Dürer, wobei er bei der Gestaltung des Körpers eher dem Figurenideal Michelangelos folgt.

In der Gestaltung eines Brunnenensembles zeigt sich Adriaen de Vries als wahrer Meister, der mit dem perfekten Zusammenspiel von mehren Figuren ein unübertreffliches, ideales Kunstwerk schaffen konnte.

Bis 12. Juni. Maximilianstraße 46, 86150 Augsburg. Tel.: (0049) 821/324 41 19

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