Wege aus der Aggression

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Der Schulalltag wird rauer und härter - viele Lehrer wissen sich angesichts aggressiver Schüler nicht mehr zu helfen. Das Besinnen auf ihre ursprünglichen Aufgaben als Lehrer ist ein Ausweg.

"Schülerin (16) drohte mit Mord", "Aggressive Schüler und Eltern machen Lehrer krank", "Die Zahl aggressiver Schüler nimmt zu" - ein Blick in aktuelle Zeitungsschlagzeilen zeichnet ein düsteres Bild: Pädagogen sind anscheinend immer öfters mit Gewalt konfrontiert. Mit Aggression in all ihren Facetten, nicht nur im schulischen Bereich, setzte sich jetzt auch das "Familienforum" des Katholischen Familienverbands Österreichs unter dem Motto "Aggression & Kooperation in Familie und Beruf" auseinander, das von 15. bis 16. Mai in Strobl tagte. Zahlreiche Workshops beleuchteten das Thema von verschiedenen Seiten.

Seit vielen Jahren erlebe unsere Gesellschaft eine Krise der Autorität, die auch vor Schulen keinen Halt macht. Schüler würden immer mehr den Respekt vor den Lehrern verlieren, klagen viele Pädagogen.

Früher war alles anders - mit diesem Allgemeinplatz reagieren viele Eltern, Politiker und Lehrer auf die aktuellen Herausforderungen im Schulwesen. Vor vierzig, fünfzig Jahren waren die Schüler noch gehorsam und viele Lehrer streng und autoritär. Disziplin, Eifer, Pünktlichkeit standen auf der Tagesordnung.

"Es ist schon richtig, dass es damals wie heute viele Fehlformen von Autorität bei Lehrern gegeben habe. Deswegen kam ja auch die Schule ins Gerede", erklärt Josef Grubner, emeritierter Professor an der Pädagogischen Hochschule Wien, Schulexperte und Vorsitzender des Katholischen Familienverbands der Diözese St. Pölten.

Fehlformen von Autorität

"Was manche Lehrer damals gemacht haben, war nicht okay, und zum Glück hat sich da vieles geändert." In seinem Vortrag "Aggressive SchülerInnen - machtlose LehrerInnen: Wege aus der Sackgasse" ging der Bildungsexperte beim "Familienforum" der Frage nach, wie Pädagogen mit ihren schwierigen Schützlingen zurechtkommen könnten.

Ein neues Berufsbild müsse her, darüber waren sich viele junge und engagierte Lehrer der 68er-Generation einig. Offen für die Anliegen der Schüler, partnerschaftlicher Umgang mit Kindern und Jugendlichen, Dialog- und Konsensbereitschaft, so wollten die neuen, modernen Pädagogen sein. "Der Scheinbar neue Aufbruch brachte jedoch eine Reihe neuer Verwirrungen: Viele Lehrer wollten nicht mehr Lehrer sein und auch die Schüler hatten es satt, weiterhin Schüler zu sein. So legte man es darauf an, zwischen Lehrer und Schüler gar nicht mehr richtig unterscheiden zu wollen, alle waren auf einmal Lehrer und Schüler zugleich. Es dauerte nicht lange und andere, neue Aggressionsventile öffneten sich: Die Lehrer begannen unsicher zu werden, was denn ihre eigentliche Aufgabe sei und viele Schüler suchten nach Orientierung, doch sie blieb ihnen verwehrt", so Grubner.

Das Prinzip des "pädagogischen" Dialogs

Doch wie können Schulen, wie können Lehrer aus dieser Situation wieder herauskommen? "Die Lehrer müssen sich wieder ihrer ursprünglichen Aufgabenstellung bewusst werden", appelliert Grubner. Die pädagogische Arbeit in der Schule basiere auf dem Prinzip des pädagogischen Dialogs und dies bedeutet, dass Lehrer und Schüler nicht bloß als gleichwertige Partner ein Zwiegespräch zu führen hätten, sondern im gegenseitigen Respekt führt der Lehrer den Schüler zur jeweiligen Sache, zum Unterrichtsinhalt hin. Auf der anderen Seite hat sich der Schüler seiner besonderen Aufgabe ebenfalls bewußt zu werden. Er ist es, der sich als Hörender zu qualifizieren habe, er muss bereit sein, sich als "Wissenwollender" führen zu lassen. Gelinge das, so Grubner, dann gäbe es an den Schulen zweifelsfrei auch weniger Aggressionspotentiale. Der Schüler wüsste, warum er Schüler ist und kann sich dementsprechend verhalten und der Lehrer wüsste um seine pädagogische Fachautorität und könnte somit pädagogisch führen.

Auch die Schule der Gegenwart scheint vor Fehlformen im Lehrer-Schüler-Verhältnis nicht gefeit zu sein. Zusehends verschwindet der Lehrer als kompetenter Vermittler von Unterrichtsinhalten und er versucht sich - seine Kompetenz überschreitend - an das "Innenleben" des Schülers heran zu machen. "Es geht weder darum, in alte Rollenbilder zurückzufallen. Ebenso wenig geht es darum, dass der Lehrer zum Lernberater verkommt, denn ein Berater bietet bloß Alternativen an, er spricht nicht von Wahrheitsbindung."

Zurück zu den ursprünglichen Aufgaben

Den Pädagogen gilt es, wieder ihre ursprünglichen Aufgaben klarzumachen, die im kompetenten Vermitteln von Lerninhalten liegt. Es geht um Fachautorität, nicht um Machtpositionen", sagt Grubner. Dies müsse über die Lehrerausbildung geschehen, an den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten. "In Richtung pädagogischer Professionalisierung unserer Lehrerinnen und Lehrer sind noch gehörige Anstrengungen vonnöten, denn gegenwärtig scheinen die Psychologen und Soziologen das Feld zu bestellen", betont Grubner.

Aber auch die Ausbildung der Eltern müsste verbessert und deutlich ausgebaut werden, "damit die jungen Menschen schon von Zuhause aus mitbekämen, Lernen kann nicht immer Spaß machen, sondern es hat mit Anstrengung und letztlich mit Arbeit zu tun", rundet Grubner ab.

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