Wege aus der Angstlähmung

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Unterwegs im Auto höre ich wieder einmal Von Tag zu Tag (Ö1): Ein Spiegel-Redakteur stellt sein jüngstes Buch vor: "Panikmache". Das Thema: Eine "Angstlähmung" habe Europa erfasst, auch Österreich. Innerhalb von nur zwei Jahren hätten sich die Zukunftsängste der Bevölkerung mehr als verdoppelt. Und das, "obwohl wir die reichste, gesündeste, langlebigste Generation der Menschheitsgeschichte sind". Mehr noch: Nahezu alle Verbrechensraten (auch Mord und Vergewaltigung) seien rückläufig.

Was also löse unsere Angstschübe aus, wird der Autor gefragt. Natürlich der Anschlag von 9/11 und das Geschehen seither, sagt er. Aber auch der überzogene "Krieg gegen den Terror" und die Überwachungsorgien. Dazu eine globale "Sicherheits"-Industrie, die bewusst auf Katastrophenstimmung setze. Dann der mediale Boulevard. Und Politiker, die meinen, mit Angst leichter zu herrschen (Deutschlands AfD-Chefin Frauke Petry: "Wir brauchen Ängste, um Mehrheiten zu bewegen.").

Doch dahinter stehe noch mehr, sagt der Mann im Radio: Neoliberalismus, soziales Ungleichgewicht und das bröckelnde Wohlstandsversprechen. Dann der Verlust an Zusammenhalt, Vereinzelung und Vereinsamung. Vielen Menschen würde auch durch die "Verdunstung" des Religiösen der Boden entzogen.

Dieses ganze Knäuel an Emotionen werde nun leider geballt auf die Flüchtlingsfrage exportiert, sagt der Autor.

Seine Worte treffen mich. Gerade diskutieren wir in der FURCHE über diese Themen: über die Verantwortung der Medien. Was bedroht uns wirklich -und was ist nur anders als früher? Was hilft, was spaltet? Wie viele Ängste, wieviel Hoffnung braucht der Mensch? Und: Hat das viele Gute noch Chancen?

Wir fragen uns auch: Wurzelt die heute so gescholtene "Willkommenskultur" unerschütterlich im christlichen Gewissen -oder hat sie Grenzen, hinter denen sie zur Naivität verkommt?

Die Kraft der Mitte stärken

Wenige Tage nach der Ö1-Sendung fällt mir ein Vortrag in die Hände, den der emeritierte steirische Diözesanbischof Egon Kapellari soeben in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo gehalten hat. Es sind Wegweisungen in die Zukunft Europas und der Kirche, angesichts des Konflikts um Migration und Integration.

Kapellaris Rat: Besorgniserregendes nicht kleinreden; die Risiken sehen und Ängste benennen, damit Solidarität nicht in Aggression, Depression oder Gleichgültigkeit umschlage. Aber dabei nie den Idealismus verlieren, die "unerschrockene Hoffnung".

Und dann ganz kompromisslos: Christen dürften -als "Großmacht der Barmherzigkeit" - letztlich "nur dann mitreden, wenn sie selbst individualethisch helfen, nicht nur ein wenig helfen, sondern auch helfen, wenn es schon sehr weh tut"!

Dankbar denke ich: Das ist der erste ernsthafte Versuch, in spannungsreichen Zeiten die Kraft der Mitte zu stärken. Über alle Polarisierungen hinweg.

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