Wegen die paar Leut'?

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Die Endfassung des "Weißbuches zur Reform der Kulturpolitik in Österreich" liegt auf dem Tisch. Hurra!

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Die Endfassung des "Weißbuches zur Reform der Kulturpolitik in Österreich" liegt auf dem Tisch. Hurra!

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Allerdings: Der Christoph Ransmayr ist weg, der Felix Mitterer ist weg, die Lida Winiewicz ist weg, und auch der Gottfried Helnwein ist weg, um auch einen Maler zu nennen. Sie sind in Irland und hatten völlig recht, sich auf die Grüne Insel zu empfehlen. Erst recht, wenn sie es nicht nur wegen der schönen irischen Landschaft, des guten irischen Whiskeys und der in den irischen Pubs kreisenden irren Sprüche taten, sondern hauptsächlich, weil Künstler in Irland steuerfrei sind. Sie waren dazu moralisch im Recht. Gibt dieser Staat doch seinen Künstlern seit Jahren zu verstehen, daß sie ihm nichts wert sind.

Doch vorigen Donnerstag hat der im Schatten des Bundeskanzlers für die Kunst zuständige Staatssekretär Peter Wittmann im Ministerratssaal das "Weißbuch" der Öffentlichkeit übergeben. Der eigentliche Kunstminister Viktor Klima war allerdings nicht da. Ein kleiner Schönheitsfehler. Doch im Weißbuch sind endlich all die Forderungen festgeschrieben, mit denen die Künstler schon Generationen von Ministern in den Ohren liegen. Leider wechseln die Generationen bei den Ministern ziemlich schnell. Ab nun erbt jeder neue das Weißbuch von seinem Vorgänger.

Die Kunst und Literatur Schaffenden brachten Vorschläge ein. Leute ihres Vertrauens arbeiteten sie gemeinsam mit den Ministerialen ins Weißbuch ein, das dabei von 100 Seiten im Oktober auf 216 Seiten anschwoll. Es enthält Forderungen zum Urheberrecht ebenso wie die nach einer Sozialversicherung für Künstler, und auch, wie ein gerechtes Einkommensteuergesetz aussehen könnte, steht drin.

Wenn eine Regierung den Künstlern ihre Liebe zeigt, indem sie sich ein Weißbuch zwei Millionen Schilling kosten läßt, liegt es natürlich nahe, zu fragen, wie sie es denn mit der Verwirklichung halte. Sonst könnten Mißgünstige ja auf die Idee kommen, das Weißbuch sei bloß ein billiges Forderungs-Endlager. Und wenn genau in der Entstehungszeit einer solchen Endfassung in nächster Nähe, wenn auch von wichtigeren Leuten, an einer Steuerreform gebastelt wird, liegt es nahe, im neuen Steuergesetz nach Zeichen dieser neuen Liebe des Staates zu fahnden.

Schriftsteller und Maler, die nach vielen mageren Jahren einmal ein fettes Jahr haben, finden es ungerecht, in diesem Jahr mit demselben Steuersatz zur Kasse gebeten zu werden wie Steuerzahler, für die alle Jahre fette Jahre sind. Die alte Forderung lautet: Bei stark schwankenden Einkommen Verteilung besonders hoher Einkünfte - zum Beispiel durch einen Bucherfolg oder einen großen bildhauerischen Auftrag - auf mehrere Jahre. Staatssekretär Wittmann beglückte die "Kulturschaffenden" mit der Ankündigung, daß sie in Zukunft aufteilen dürfen. Allerdings etwas anders als erhofft. Sie dürfen bloß die erhöhte Steuerschuld aufgrund eines fetten Jahres künftig jahrelang abstottern.

Ein weiterer Test: In den siebziger Jahren wurde den Schriftstellern für Einkünfte "aus der Verwertung selbstgeschaffener Urheberrechte" der Hälftesteuersatz zugebilligt. In den achtziger Jahren wurde dies ersatzlos wieder gestrichen. Erfinder genießen den Hälftesteuersatz für Einkünfte aufgrund von Patentrechten schon seit ewigen Zeiten. Da wurde nicht einmal gegeben und dann wieder genommen. Hier war er auch nie an die Bedingung gebunden, diese Einkünfte müßten ein Nebeneinkommen darstellen. Der Hälftesteuersatz für Erfinder ist gerecht, weil sie lange Vorarbeiten leisten und hohe Patentgebühren zahlen, bevor die Lizenzeinkünfte fließen. Aber auch die Geistesarbeiter, selbst die berühmtesten, sehen oft erst im Alter Geld für das, was sie in der Jugend geschaffen haben, wenn überhaupt. Und den Erfindern wird der Hälftesteuersatz selbst dann zugestanden, wenn sie ihre Erfindungen als Angestellte von Konzernen machen.

Das alles sollte genügt haben, Peter Wittmann auf die Barrikaden für die Geistesarbeiter zu bringen. Er müßte sich, falls er es mit den Dichtern ernst gemeint hat, bei Finanzminister Edlinger wenigstens ein bißchen stark gemacht haben, um den Hälftesteuersatz für sie zu erreichen.

Frage an den Staatssekretär nach der "Weißbuch"-Präsentation: Wie es um den Hälftesteuersatz stehe? Leider nein, der komme nicht.

Wieso nicht, wo ihn doch die Erfinder hätten?

Antwort: "Ich weiß ja nicht, ob ihn die Erfinder auch noch in Zukunft haben!" Ein Anruf der Furche im Finanzministerium genügte, um festzustellen: Sie haben ihn weiterhin.

Woraus hervorgeht, daß dieses Problem dem für die Kunst zuständigen Staatssekretär offenbar keinerlei Bemühung wert war. Keine Auseinandersetzung mit dem Finanzminister. Wahrscheinlich keinen Satz, kein Wort. Sonst wäre er ja informiert gewesen.

Doch nur Übelwollende ziehen daraus den Schluß, das "Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik in Österreich" sei eine Augenauswischerei, "Beschäftigungstherapie für Experten", wie notorisch Boshafte behaupteten. Die Wissenden hingegen ahnen, daß Peter Wittmann, absorbiert von der Arbeit am viel wichtigeren Weißbuch, einfach keine Zeit hatte, sich auch um das Einkommensteuergesetz zu kümmern. Und daß dies sowieso nicht so wichtig ist. Denn den Wissenden hat ja der Wind längst zugetragen, daß derzeit tatsächlich ganz andere Dinge im Busch sind: Die ungerechte Besteuerung der Künstler soll nämlich schon demnächst durch Erlässe beseitigt werden. Der Bundeskanzler, als eigentlicher Kunstminister, überlege bloß noch, wie das im einzelnen geschehen soll. Das irische Modell komme durchaus in Frage, ebenso aber auch eine "Sportlerlösung". Die für alle Teile gerechteste Lösung, der Hälftesteuersatz, ist mit der Steuerreform halt leider für Jahre verpaßt. Die "Sportlerlösung" wäre zwar eine ziemlich krampfhafte, aber für die Dichter noch günstiger als der Hälftesteuersatz, wenn auch nicht so günstig wie das irische Modell. Das irische Modell wäre das eleganteste und eines Kulturstaates würdig - falls dieser wirklich einmal aufhören will, nur ein angeblicher Kulturstaat zu sein.

So oder so: Die Steuerfragen sind der harte Kern in einem Riesenbrei teils realistischer, teils aber auch eher hirnrissiger Forderungen, von denen nur ein kleiner Teil Chancen hat, aufgegriffen zu werden.

Der Gedanke liegt nahe, daß man sich mit dem Weißbuch über die Wahlen hinwegschwindeln möchte, um dann das Ganze zu vergessen. Nach dem Motto: Was interessieren uns die paar Leut', die den Geist repräsentieren. Den Schwarzenegger wiegt sowieso kein Jandl, kein Menasse und kein Ransmayr auf, nicht einmal zusammen. Möglicherweise hat Viktor Klima auch tatsächlich vor seinem Finanzminister mehr Angst als vor sämtlichen lebenden und toten Dichtern. Nur, daß einem die halt doch sehr auf die Nerven gehen können, wenn sie die Geduld verlieren. Von wegen: Image eines Kulturstaates.

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