Weh! Böser Zauber tut sich auf!

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Wagners „Tannhäuser“ galt die letzte Premiere der Ära Holender. Szenisch ein Ärgernis und trotz Franz Welser-Möst am Pult auch musikalisch deutlich unter den Erwartungen.

Am Schluss das schon übliche Bild: Regisseur und Ausstatter werden ausgepfiffen, die übrigen Protagonisten beklatscht. Dieses Mal enden wollend und differenziert. Staatsoperndebütant Christian Gerhaher erhielt den meisten Beifall. Zu Recht. Er dominierte den Abend mit seiner bis ins feinste Detail überlegten, wortdeutlichen Gestaltung des als Neurotiker auf die Bühne gestellten Wolfram von Eschenbach. Nur Tannhäusers Romerzählung rettet ihn davor, mit der Pistole Selbstmord zu begehen.

Neben ihm wusste sich, anfänglich gegen eine kleine Indisposition kämpfend, nur Johan Botha, schließlich gewohnt bombensicher, in der Titelrolle zu behaupten. Wenigstens gesanglich. Denn dass er nicht immer über die entsprechende körperliche Wendigkeit verfügt, hätte die Regie berücksichtigen müssen.

Ohnedies war es nicht der übliche „Tannhäuser“, den man vorgesetzt bekam, sondern eine sehr freie Deutung dieses Stoffes. In Zeiten, in der sich die Kirche Schwierigkeiten wie selten zuvor gegenüber sieht, hätte gerade dieser Wagner auch eine sehr andere Sprengkraft geboten. Darauf wollte sich Regisseur Claus Guth offenbar vorweg nicht einlassen.

Anstelle dessen machte er sich auf die Suche nach einer Antwort, wie man heutigen Zuhörern eine romantische Oper vermitteln kann. Vor allem die darin aufgeworfene Problematik des grenzgängerischen Individuums und seine Stellung in der Gesellschaft erregten Guths Interesse. Fündig wurde er auch bei Arthur Schnitzler, vornehmlich dessen „Traumnovellen“. Deswegen verlegte er die im Original im 13. Jahrhundert in Thüringen spielende Szenerie in das Wien der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Er deutete die Schauplätze zum Hotel Orient, dem Schwindfoyer der Staatsoper und dem psychiatrischen Krankenhaus am Steinhof um, ließ die Choristen wechselweise in Frack, Gehrock, verhüllt, als Patienten in Zwangsjacken auftreten, zwang Elisabeth, durch hektische Einnahme von Tabletten Selbstmord zu verüben.

Der Landgraf im Bordell

Dass der junge Hirte (ausgezeichnet der St. Florianer Sängerknabe Alois Mühlbacher) im selben Gehrock auftritt wie Tannhäuser, sich nirgendwo ein Hinweis findet, dass sich ein Landgraf (unauffällig Ain Anger) in einem Bordell vergnügt, es jeglichen Geschmack vermissen lässt, Pilger zu Geisteskranken zu machen, das Beziehungsgeflecht von Tannhäuser, Elisabeth und Wolfram nicht einmal andeutungsweise anskizziert wird, zeigt, wie beliebig, aber auch wie problematisch Guth mit dem Sujet verfahren ist.

Generell wird man den Eindruck nicht los, dass es Regisseur und Ausstatter (Christian Schmidt) vornehmlich um nicht näher zu kommentierende Bilder, kaum aber um eine konzise Personencharakterisierung gegangen ist. Dass Venus (angestrengt Michaela Schuster) „eine Fantasmagorie, ein Wunsch“ ist, liest man im Programm. Auf der Bühne präsentiert sie sich als Zigaretten rauchende Puffmutter. Elisabeth (ohne die erforderliche Strahlkraft: Anja Kampe) wird als Persönlichkeit nicht näher definiert. Im Mittelakt, inmitten des sich auflösenden, damit die Doppelbödigkeit der Gesellschaft aufzeigenden Schwindfoyers, erinnert sie fast an die Persiflage einer Grimm’schen Märchenfigur.

Bei allem engagierten Bemühen um klare Konturen, differenziert gezeichnete Details und Herausarbeitung der farbigen Vielfalt der Partitur gelingt es auch Franz Welser-Möst am Pult des Staatsopernorchesters nur bedingt, Spannung zu erzeugen und Momente bewegender Innigkeit aus dem beziehungsvollen melodischen Lineament herauszuholen.

„Tannhäuser“

Mit „Tannhäuser“, noch am 24. und 27. Juni zu sehen, wird auch die neue Direktionsära Meyer/Welser-Möst am 5. September eröffnet.

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