Weichgespülte Satire

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Wolfgang Bauers "Change" verkommt am Wiener Volkstheater zur ulkigen Kleinbürger-Komödie.

Streifenweise entblättern sich bittere Wahrheiten hinter der "Manipuläschn". Mit Nadelstreifanzügen, quer gestreiften Polyester-Pullundern und längsgestreiften Kulissen ganz im Retro-Look (Ausstattung: Andrea Bernd, Florian Parbs) tritt Regisseur Georg Schmiedleitner seinen Streifzug durch die Kleinbürger-Katastrophen an. Wolfgang Bauers "Change" gibt dem Volkstheater endlich wieder zu Recht seinen Namen und bringt mit dem Wiener Identifikationsstück einen Klassiker der Moderne.

1969 entstand Bauers Gesellschaftssatire rund um das vielfach variierte Thema, wenn Kunst und Leben tauschen. Fery und Blasi, Guggi (genannt Hasi) und Rikki heißen seine Halbwelt-Helden, die der allerorts als "Wolfi" gerufene Dramatiker direkt aus dem Leben gegriffen hat. Mit Blasi-Ernst Steinhauer hat das Volkstheater auch eine wirklichkeitsgetreue Bauer-Kopie besetzt. Gemeinsam mit Fery-Toni Böhm bildet er die schauspielerische Echtheits-Achse, die die Inszenierung in Teilen interessant macht.

In Teilen, denn trotz des zeitlosen Themas hängt das Stück bisweilen kräftig durch. Der verkrampfte Versuch, keinen Mythos der Künstler-Revoluzzer aus den 1960er Jahren zu inszenieren (Blasius Okopenko erinnert nicht zufällig an den ortsansässigen gleichnamigen Dichter, und Hosen herunterlassend zitiert er eine Aktion Friedensreich Hundertwassers), endet allerdings in einer Mystifizierung ebendieser.

Seltsam gestaltet Schmiedleitner seine "Künstler-Szenerie". Heinz Petters spielt den Mäzen Antoine als Moshammer-Parodie, während der "gscherte" Maler-Amateur Blasi aus St. Pölten von Fery in einer dubiosen sm-Bar zwecks Imageaufbesserung instruiert wird. Selbst erfolgloser Künstler, plant Fery das Experiment des Emporjubelns und Fallenlassens: der Naturbursche Blasi wird zum Szene-Star inszeniert, sogar Ferys Freundin Guggi (kraftvoll: Anna Franziska Srna) soll zu diesem Zwecke instrumentalisiert werden, was sich ganz ohne Anstrengung von selbst erledigt. Mit ein wenig Anarchie, viel Promiskuität, Alkohol, Haschisch arbeiten sie gegen das bürgerliche Establishment. Lauter junge Wilde also. Bei aller schauspielerischen Leistung blinkt aber ein riesiges Fragezeichen über der Volkstheater-Besetzungspolitik. So amüsant das Duo Steinhauer-Böhm auch sein mag, der drive, den "Change" bekommt, wenn sich unter der Oberfläche des Spiels die Brutalität dieser grausamen Manipulation entblättert, der fehlt. Gemütlich shaken sie als Nostalgie-68er mit Johanna Mertinz (als viel zu propere Guggi-Mami und dann Blasi-Gattin), während Fritz Hammel als Kunstkritiker ein Stück Zynismus rettet. Selbst die Prügelszenen wirken wie freundliche Balgereien, so dass Ferys Selbstmord als Kurzschlussreaktion missverstanden wird.

Mehrmals weichgespült, ist von Bauers Satire eine ulkige Kleinbürger-Komödie mit verlässlichem Star-Ensemble übriggeblieben. Musikalisch hat Schmiedleitner die Fadesse und Aggressivität einer entmoralisierten Gesellschaft elegant illustriert: Mit Tindersticks' "Trouble Every Day" schließt er und eröffnet zugleich die Frage, wo der Entdeckungs-Mut geblieben ist, über den das Volkstheater 1969 als "Change"-Uraufführungsbühne noch verfügte.

Der Originaltext befindet sich im Vorlass von Wolfgang Bauer und kann in der Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek im Rathaus eingesehen werden (www.stadtbibliothek.wien.at).

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