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Brot und Wein, vergifteter Wein, Becher und Kelch, Wasser und Wein: Anmerkungen zu einigen zentralen liturgiehistorischen Fragen.

Kaum etwas steht dermaßen im Zentrum der christlichen Liturgien wie die sogenannten "eucharistischen Gestalten" Brot und Wein. Und beiden Zeichen, dem Brot wie dem Wein, kommen in den verschiedenen Traditionen und Zeiten höchst unterschiedliche, ja bisweilen kontroverse Deutungen zu. Meine Aufmerksamkeit gilt im folgenden dem Wein, dessen liturgischer Genuss in der römischen Liturgie zunehmend ein Privileg der zelebrierenden Priester geworden ist, welches aufzugeben heute in der Praxis mit mancher Schwierigkeit verbunden ist.

Wein ist ein Getränk, das in den weinbautreibenden Gebieten der mediterranen Kulturen wie selbstverständlich zum Festmahl gehört. Es ist nicht Alltagsgetränk, es "enthebt" gewissermaßen von der Last der Tagesmühe - in der ganzen Doppelsinnigkeit des Wortes. Für die christliche Feiertradition kommt dem Wein besondere Bedeutung zu, denn Jesus hat den Becher zum Bundeszeichen schlechthin gemacht, wenn es nach dem ältesten Textzeugen heißt: "Dieser Becher ist der neue Bund in meinem Blut. Dies tut, sooft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis" (1 Kor 11,35). Darüber hinaus heißt es in Mk 14,25: "Amen, ich werde nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, an dem ich es neu trinke in der Königsherrschaft Gottes." Die Hervorbringung des Weinstocks ist Zeichen für den kommenden Äon.

"Trinkt alle daraus"

Etwas Ähnliches wäre vom Brot nicht ausgesagt. Und zum Becher heißt es: "Trinkt alle daraus" (Mt 26,27), ein Diktum, das die ältere Liturgietradition auch des Westens noch ziemlich wörtlich umsetzt. Doch es gibt manche Herausforderung, die den liturgischen Genuss von Wein in Frage stellt. So etwa wendet sich Papst Leo der Große (gest. 461) entschieden gegen die Anschauung der Manichäer, die den Wein gänzlich verschmähen. Auch andere sektiererische Gruppen, die man als Aquarier bezeichnet hat, lehnen den Wein bei der Eucharistiefeier ab. Dabei muss hinzugefügt werden, dass die Kirchen immer schon eucharistische Speise auch ohne Wein gereicht haben, u. a. für Kranke und Gefangene oder in Verfolgungszeiten. Das Selbstverständnis, den Wein für die ganze versammelte Feiergemeinde zu reichen, ist im 13. Jahrhundert noch üblich, wenngleich nicht mehr die alleinige Praxis.

Zu einem gänzlichen Verbot des Kelches für die Laien ist es dann 1415 auf dem Konstanzer Konzil gekommen, bei welchem die Lehren des Johannes Hus verurteilt wurden. Das Verbot allerdings entfachte die hussitische Bewegung umso heftiger. Die Forderung, weiterhin die Kommunion "unter beiderlei Gestalt" (sub utraque specie), also Brot und Wein, empfangen zu können, wird nur noch lauter. Das war namengebendes Programm für die Strömung der Utraquisten des 16. und 17. Jahrhunderts. Fazit: Die Frage nach dem Wein in der Liturgie war zu einem Motiv kirchenpolitischer Auseinandersetzung geworden. Erst das Zweite Vatikanische Konzil, das gerade 40 Jahre zurückliegt, sollte den eucharistischen Wein auch für Laien wieder zugänglich machen.

Das letztendliche Weinverbot war allerdings auch Ausdruck eines theologischen Verständnisses, das sich über Jahrhunderte hinweg gravierend gewandelt hatte. Dieses Verständnis lenkt nun alle Aufmerksamkeit auf die eucharistische Materie von Brot und Wein auf Kosten der gesamten Feiergestalt, die eher als akzidentiell - beiläufig - angesehen wird, decor sacramenti. Auf den eucharistischen Wein gewendet, bedeutet das eine ungemeine Hochschätzung der Materie, deren Übersteigerung dazu führt, mehr auf das Symbol zu schauen als auf den Akt des Mahlhaltens, des gemeinschaftlichen Trinkens aus dem Becher: der verwehrte gemeinsame Becher auch ein Ausdruck für die zerbrochene Feiergemeinde.

Es war also keineswegs die Geringachtung des eucharistischen Weines, sondern gerade dessen hohe Wertschätzung, welche dessen Reservierung für die Zelebranten hervorgebracht hat. Weitere Gegebenheiten mögen diese Entwicklung gefördert haben: übertriebene Ehrfurcht vor der heiligen Materie; die Gefahr der Verschüttung; eine gewisse Hemmung, wenn mehrere aus demselben Gefäß trinken; die Furcht vor Krankheit und Ansteckung; die Sorge wegen der alkoholischen Wirkung; die leichte Verderblichkeit des Weines usw.

Für den in der Liturgie zu verwendenden Wein hat es penible Vorschriften gegeben. Es ist jedoch nicht vorgegeben, ob es roter oder weißer Wein sein soll, ob dieser süßlich oder eher herb sein möge. Immer jedoch hat man mit Sorge darauf geachtet, dass unverdorbener, echter und reiner Wein verwendet werde. Es hat eine regelrechte Lehre von den "Defekten des Weines" gegeben, und wie sich der Zelebrant zu verhalten hat, wenn er vor oder nach der Konsekration des Weines gewahr wird, dass der Wein verdorben ist. Das konnte bis zum Abbruch der Messe gehen. Die kirchenrechtlichen Bestimmungen hatten überdies auch geregelt, was denn zu geschehen habe, wenn eine Fliege oder Spinne oder anderes Unreines in den Kelch fällt, wenn gar Giftiges in den Kelch gerät, wenn der Wein gefriert usw. Auch das Verhalten im Falle des Ausschüttens von Wein war festgelegt. Vom Aufnehmen der Tropfen mit der Zunge war da die Rede, vom Abschaben jener Stellen, auf die die Tropfen gefallen waren und vom Entsorgen jener Partikel im Sakrarium. All das mutet heute seltsam an und hat den Ruch antiquierten kasuistischen Denkens. Dahinter mag man aber auch die große Wertschätzung der eucharistischen Materie sehen.

Kirchenpolitik

Jene Betonung des eucharistischen Weines findet analog in der Form des Trinkgefäßes seinen Niederschlag. Aus dem Trinkbecher war schon lange der Kelch geworden. Becher und Kelch sind indes Ausdruck für ein geändertes Selbstverständnis, wobei der entscheidende Unterschied wohl darin liegt, dass es in der Regel nur einen Kelch gibt, es aber viele Becher, also einfache Trinkgefäße, geben kann. Nirgendwo in den Schriften des Neuen Testaments ist gesagt, dass es beim Mahl nur einen einzigen Becher gegeben hätte. Wie bedeutend und nachhaltig wirksam dabei allein die Begrifflichkeit ist, das kann man am Wort "Kelch" ablesen. Es ist ein Derivat aus der lateinischen Liturgiesprache und hat im calix seine Entsprechung. Es bedeutet Hervorhebung und Abgehobenheit, was durch die Form des Trinkgefäßes ja veranschaulicht wird. Mit dem "Becher" dagegen ist ein anderes semantisches Signal gesetzt. Es bezeichnet das gewöhnliche Trinkgefäß und hat im abgeleiteten Zeitwort "bechern" eine beinahe pejorative Bedeutung. Die Namen für das Trinkgefäß bringen - heute noch hörbar - den oben dargestellten Sachverhalt zum Ausdruck.

Eine andere Frage war seit vielen Jahrhunderten mit der liturgischen Verwendung des Weines verbunden, nämlich jene um die Beimengung von Wasser. Es ist klar - in der christlichen Antike war die Praxis verbreitet, dem Wein Wasser beizugeben. Schließlich wurden beim Symposion auch starke oder stark gewürzte Weine verkostet. Die Hinzufügung von Wasser zum Wein hat in den christlichen Kirchen unterschiedliche Deutungen erfahren und es konnte auch mehrere Interpretamente nebeneinander geben.

Eine sehr frühe Tradition deutet den Wein selbstverständlich als Christi Blut, das zugegebene Wasser als Christi Volk. Eine andere Sichtweise spielt auf das Kreuzesereignis an: Aus der Seite Jesu flossen Blut und Wasser. So wie Eva aus der Seite des Adam erstand, so gehen die Sakramente und die Kirche aus der Seite Christi hervor. Um die Wende zum zweiten Jahrtausend ist die Mischung des Weines bereits in die Feier selbst aufgenommen. Viele liturgische Bücher geben davon Zeugnis. Nachdem die Beimischung von Wasser zum Wein ein Teil des Ritus geworden war, wird dieser Ritus auch von Gebeten begleitet.

In den orthodoxen Kirchen wird dem Wein üblicherweise warmes Wasser beigemengt, das Wirken des Heiligen Geistes symbolisierend. In der Armenisch-Apostolischen Kirche hingegen ist die commixtio nie liturgischer Brauch geworden, was über Jahrhunderte hinweg zu heftigen Kontroversen geführt hat. Die Weigerung der armenischen Kirche, dem Wein Wasser beizugeben, wurde christologisch begründet. Man hat in Wein und Wasser die beiden Naturen Jesu Christi (Gott und Mensch) symbolisiert gesehen. Diese jedoch fallen nach der armenischen und anderen Traditionen in eins zusammen und waren niemals voneinander getrennt, sodass man sie in einem Mischungsritus liturgisch gar nicht zum Ausdruck bringen kann. Die Frage nach der Beimengung von Wasser zum Wein war Gegenstand kirchenpolitischer Polemik geworden.

Feierkultur

Außerhalb der Eucharistiefeier hat der Wein im westlichen Ritus nie eine allzu große Bedeutung erlangt. Erwähnenswert ist immerhin die Tradition der Segnung der ersten Trauben, die sich seit dem 5. Jahrhundert für den 6. August nachweisen lässt; oder auch die Segnung von Weingärten im heutigen Benediktionale und die Segnung des Johannis-Weines am 27. Dezember. Eine Weinspende des Bischofs zur Gabenbereitung anlässlich einer Bischofsweihe gibt es in der nachvatikanischen Liturgie nicht mehr. Als Patron für die Weinbauern gilt Sankt Urban.

Wein hat in unserem Land große Bedeutung, als Wirtschaftsfaktor, als qualitätvolles und erlesenes Genussmittel. Wein ist fester Bestandteil unserer Feierkultur. Wo sonst als in einer viniferen Kultur wie etwa der unseren kann das bedeutungsschwere biblische Wort vom Wein seine gemeinschaftstiftende und transzendierende Kraft auch in der Liturgie erweisen? Bekannt ist das Lied "Es wird ein Wein sein", das ich als "weinselig" bezeichnen möchte. Welch tiefer Sinn des Wortes, der sich in der eucharistischen Feier der ganzen Feiergemeinde entbergen könnte!

Der Autor ist Vorstand des Instituts für Liturgie, Christliche Kunst und Hymnologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz.

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