Weißes Idyll, schwarz durchkreuzt

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Karlheinz Hackl inszenierte Ibsens "Nora" im Theater an der Josefstadt.

Was will eine Frau mehr: Nora Helmer (Maria Köstlinger) hat ein trautes Heim - ein "Puppenheim", wie es Henrik Ibsen nannte -, drei vom Hausboy Henrik (Florian Teichtmeister) betreute Kinder, die sie nicht belasten oder an ausgiebigen Einkaufstouren hindern, und vor allem einen gerade zum Bankdirektor beförderten Ehemann, der bald noch mehr vom nötigen Kleingeld nach Hause bringen wird. Im weißen Outfit in weißem Interieur (Bühne und Kostüme: Rolf Langenfass) schmückt sie mit ihrem Mann Torvald (Herbert Föttinger) zu den Klängen von Bing Crosbys "White Christmas" tänzelnd den Weihnachtsbaum - weißer geht's nicht!

Aber es wäre nicht Ibsen, wenn da nicht Leichen im Keller oder Lebenslügen hinter der leuchtenden Ledergarnitur lauerten. Nora hat einmal aus Liebe zu ihrem Mann ohne dessen Wissen eine Unterschrift gefälscht und wird deshalb vom Rechtsanwalt Krogstad (Peter Scholz), den ihr Mann aus der Bank entlassen will, erpresst. Als Torvald davon erfährt und nicht in ihrem Sinn reagiert - er bejammert nur die Folgen für sich selbst und misshandelt sie -, zerbricht das fragile Idyll. Obwohl Krogstad unter dem Einfluss seiner wiedergefundenen Jugendliebe Christine Linde (Therese Lohner) seine Drohungen nicht wahr macht, ist die Ehe der Helmers zerstört. Zugleich hat der todkranke Freund des Hauses und Verehrer Noras, Doktor Rank (Michael Dangl), per Post Abschied genommen - mit einem schwarzen Kreuz. Nora ist bereit, ihr weißes Puppenheim zu verlassen, aber als Torvald ihr eines der Kinder in die Arme drückt, schafft sie es nicht und bleibt.

Ob dieser Schluss, den Ibsen in einer zweiten Fassung anbot - das Verharren in einer zerbrochenen Beziehung -, der harmlosere ist, darüber lässt sich streiten. In der scharfen Analyse der Mann-Frau-Beziehung besitzt "Nora" auch 126 Jahre nach der Uraufführung noch einige Aussagekraft. Das zeitlose Spannungsfeld zwischen der sich im Lauf des Abends von einer oberflächlichen, selbstgefälligen zu einer nachdenklichen, selbstbewussten Frau entwickelnden Nora und ihrem, wenn er Ekel über andere zum Ausdruck bringt, selbst am ekelhaftesten wirkenden Patriarchen-Gatten ist bei Köstlinger und Föttinger weitgehend in guten Händen.

Fast noch berührender als die Handlung empfand das Publikum die Szene beim lebhaften Schlussapplaus, als der von schwerer Krankheit zurückgekehrte Regisseur Karlheinz Hackl seine Protagonisten - seine Ehefrau Maria Köstlinger und den künftigen Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger - umarmte. In einem Atemzug muss man Therese Lohner nennen, die überzeugend eine Person auf die Bühne stellt, die ihre Lektion im Umgang mit Lebenslügen schon vor Beginn der Handlung gelernt hat. Peter Scholz spielt einen eher verzweifelten als kriminellen Erpresser, Michael Dangl geht mit Ironie und Fassung in den Tod.

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