Weitere Absage an die Sozialpartnerschaft

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Nach dem Tauziehen um Hauptverband und ORF geht das große Umfärbeln emsig weiter. Ganz lässig, zwischen Weihnachten und Neujahr, wurde nun dem Österreichischen Presserat das Messer angesetzt.

Der Presserat, das Organ der journalistischen Selbstkontrolle, wurde im Jänner 1961 gegründet. Nach dem Willen des Verbandes Österreichischer Zeitungsherausgeber soll er in seiner traditionellen sozialpartnerschaftlichen Form im Jänner 2002 sein Ende finden. Ins Leben gerufen wurde der Presserat, um die Pressefreiheit zu schützen, ihrem Missbrauch vorzubeugen und das Ansehen der österreichischen Presse zu wahren. Überdies dient er als Anlaufstelle für Menschen, die sich durch Beiträge in den Printmedien, sei es in Text oder Bild, verletzt fühlen. Seine Trägerverbände sind nebem dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), die Sektion Journalisten im ÖGB, der Presseclub Concordia und der Österreichische Zeitschriften- und Fachmedienverband. Sie entsenden 24 Mitglieder in zwei Senate, welche laut Geschäftsordnung in ihrer Tätigkeit völlig frei, gleichberechtigt, unabhängig und an keinerlei Weisungen gebunden sind.

Nun flatterte Ende Dezember den Mitgliedern ein Brief ins Haus, mit dem der VÖZ seine Mitwirkung im Presserat zum 26. Jänner 2002 aufkündigt und die von ihm ernannten zehn Mitglieder "entlässt". Stattdessen sei geplant, dass Verleger und ausgewählte Journalisten selbst die Trägerrolle übernehmen. Demokratiepolitisch eine recht merkwürdige Konstruktion: Ein Gremium soll vom Vorstand der Verleger eingerichtet werden, in welchem Verleger und Chefredakteure über die journalistische Korrektheit ihrer eigenen Printmedien befänden!

Ein Weg, um die Gewerkschaft auszubooten? Sollte dies die Absicht sein, wurde eine höchst fragwürdige Richtung eingeschlagen. Abgesehen von der herben Unhöflichkeit, ja Kaltschnäuzigkeit, mit welcher Menschen, die - oft über viele Jahre - ehrenamtlich Zeit und Energien in die Arbeit für den Presserat investierten, mit einem undurchsichtigen Brief ungefragt und einseitig "aufgelöst" werden sollen, geschieht dies zu einem für die Arbeit des Presserats denkbar schlechtest gewählten Zeitpunkt.

So wurde etwa bei der Vollversammlung im November die erfreuliche Mitteilung gemacht, dass die Sektion Journalisten durch ihren Wechsel zu Druck und Papier in Hinkunft über mehr Mittel für die Ausstattung des Presserates verfügt. Bisher scheiterten nicht wenige Aktionsmöglichkeiten des Presserates oftmals am bescheidenen Budget. Zwei Mitgliedern war es nach monatelangem Einsatz gelungen, Sponsoren für eine von ihnen ausgearbeitete Website mit Redaktionssystem zu finden.

Schon unter dem Vorsitz von Hubert Feichtlbauer und nun unter Paul Twaroch konnten über 100 Printmedien gewonnen werden, den Verpflichtungen des Ehrenkodex des Presserates beizutreten und Entscheidungen des Rates, die sie betreffen, in ihrem Medium zu publizieren. Ein graphisches Signet, meist neben dem Impressum, signalisiert diese Verpflichtung. Eine der ganz wenigen Zeitungen, die dem Ehrenkodex nicht beitraten, ist die Kronenzeitung. Aus gutem, vielmehr schlechtem Grunde: Die Kronenzeitung betrafen bisher die meisten Verletzungen des Ehrenkodex.

Schon unter dem Feichtlbauers Vorsitz wurde der Presserat entpolitisiert. Es wäre demnach undenkbar, dass etwa der Vorstand der Journalistengewerkschaft Einfluss auf die Arbeit der von ihm entsandten Mitglieder nähme. In Wirklichkeit verlief es eher umgekehrt: Der Vorstand vollzog die Beschlüsse seiner Mitglieder.

Die Aktion des VÖZ zur Auflösung des Presserates scheint in vieler Hinsicht, auch der rechtlichen, ein misslungener Schnellschuss. Laut Geschäftsordnung § 4(2) beträgt die Funktionsdauer der Mitglieder zwei Jahre. Sie wurden jedoch erst 2001 nominiert, eine "Entlassung" ist daher rechtlich nicht möglich. Die Frage ist berechtigt: Bedeutet das Vorgehen des Herausgeberverbandes - unter Verhöhnung aller beschworenen demokratischen Grundsätze - eine Absage an die Sozialpartnerschaft?

Die Autorin ist Mitglied des Österreichischen Presserates.

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