Ausbildung der Geistlichen
Walter Homolka wies in seiner Kolumne an dieser Stelle auf die Einführung der islamischen Theologie als akademische Disziplin an deutschen Universitäten hin. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland wird mehrfach die Notwendigkeit betont, dass Imame in deutscher Sprache predigen und hier in Europa ausgebildet werden, damit sie mit dem Kontext, in dem sie nun leben, vertraut werden. Im Vordergrund stehen Fragen nach dem Ansprechpartner für die Universitäten, nach der Anbindung der islamischen Theologie an einen Fachbereich, nach der Finanzierung, aber auch nach der späteren Anstellung und Bezahlung der Imame usw.
Diese Fragen sind zwar wichtig, die eigentliche Frage wurde jedoch bis jetzt nicht gestellt, und zwar: Nach welcher Theologie sollen Imame ausgebildet werden? Reicht es aus, theologische Bücher ins Deutsche zu übersetzen, damit Imame diese Inhalte nun in deutscher Sprache lernen und wiedergeben? Sicher nicht! Denn eine restriktive Theologie, die sich in patriarchalischen Strukturen entwickelt und etabliert hat, ist bestimmt nicht die Theologie, die wir in einer pluralen und demokratischen Gesellschaft brauchen. Während es sich bei der ersten um eine Gehorsamkeitstheologie handelt, ist die zweite eine dialogische Theologie, die den Menschen nicht bevormunden möchte, sondern ihm ein vernünftiges Angebot macht, seine eigene Religiosität zu entwickeln und diese zu verantworten.
Gerade junge Menschen lehnen ein autoritäres Auftreten religiöser Geistlicher strikt ab und wenden sich nicht selten von der Religion als ganzer ab. Bevor wir von Imame-Ausbildung sprechen, müssen die theoretischen Grundlagen für eine dialogische Theologie geschaffen werden, die von einem dialogischen und nicht von einem restriktiven Gott ausgeht.
* Der Autor ist Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster
