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Zum 100. Geburtstag von Margret Bilger zeigt das Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten eine Ausstellung in der Geburtsstadt der Künstlerin und debattiert über christliche Ikonografie in der Moderne.

M argret Bilger? Kunstkenner bekennen freimütig: "Ich habe sie nicht gekannt." "Mich kennt die Welt", soll die Dame im schlohweißen Haar, die Otto Breicha postum als eine "Art von österreichischem Chagall" bezeichnete, über sich gesagt haben, schließlich hat sie 1952 an der Biennale in Venedig und anderen bedeutenden Ausstellungen in der ganzen Welt teilgenommen. An Selbstbewusstsein hat es ihr offenbar nicht gemangelt. Späte Rüge von Bischof Egon Kapellari, Initiator der Ausstellung, bei der Eröffnung: "Das stimmte natürlich nicht: Es hat ihr geschadet, dass sie nicht in Paris arbeiten konnte, sondern nur in der oberösterreichischen Provinz, über die freilich auch Alfred Kubin nicht hinausgekommen ist."

Gedächtnisevents haben meistens etwas Schwermütiges, Moralisches, ein bisschen Triefendes. Das stelle ich für Graz in Abrede. Ich hatte mir den Namen Margret Bilger aus einer Ausstellung gespeichert, die Otto Breicha im steirischen Herbst 83 zeigte: Sie lautete: "Der Biblische Weg" - mit Georges Rouault, Karl Schmidt-Rottluff, Marc Chagall, Emil Nolde, Max Beckmann usw..., die Zeichenlehrerin sagte damals bedeutungsschwanger, wir müssten da unbedingt hin, denn solche Bilder erlebt Graz nur alle 50 Jahre: Wir gingen also hin.

Rund 20 Jahre später nehmen die Grazer Minoriten-Galerien, sonst bekannt für Gegenwartskunst, den 100. Geburtstag in Bilgers Geburtsstadt zum Anlass, eine Debatte über christlich inspirierte Kunst zu führen. Wir tun dies ausdrücklich nicht affirmativ, kein Touch von "So sollte es sein" soll diese Ausstellung begleiten. Trotzdem reizt es - wir sind mittlerweile weit genug davon entfernt -, eine von Msgr. Otto Mauer vor dessen Wende zu Rainer, Prachensky, Hollegha und Mikl viel gesammelte Künstlerin zu zeigen. Denn was sich in Mauers Ab- und Zuwendung auftut, ist ja nur ein stellvertretend ausgeführter Bruch, bekannt in der Krise christlicher Ikonografie. Fachkollegen verzogen manchen Gesichtswinkel beim Namen Margret Bilger. Merkwürdig: Weshalb ist diese Künstlerin trotz internationaler Anerkennung in den 1950er Jahren (der damalige Direktor der Albertina, Otto Benesch, bezeichnete sie sogar als bedeutendste Grafikerin der Gegenwart) allmählich ins Abseits geraten und schließlich fast vergessen? Es sind ihre - nicht nur, aber vor allem - vorrangigen Bebilderungen der religiösen Geschichten, die sie ab den 50ern vor allem in zahlreichen im Stift Schlierbach gefertigten Glasfenstern ins Bild brachte. Aus der Distanz, 33 Jahre nach ihrem Tod, sehen ihre Holzrisse in "farbigem Schwarzweiß" unverbraucht aus, freilich im Status damaliger Formensprache.

Begegnungsmotive dominieren, vorrangig sind es Frauengeschichten der Bibel, die in die berühmten Holzstöcke "gerissen" wurden: die Bezeichnung "Holzriss" entwickelte Bilger in enger Freundschaft mit Alfred Kubin, mit dem sie auch die Inspiration aus Mythen, Märchen, Volkskunst und Bibel teilte. Frauenthemen soll sie aus entschieden feministisch-widerständischer Absicht gewählt haben. Sie war, zurückgezogen im oberösterreichischem Taufkirchen, der Überzeugung, dass die damalige Gewalt und Katastrophe des Krieges nur Männer verantworten können. Was an Tugenden mit Sara, Rebekka, Ruth, Naomi, Judith, Susanna, Maria, Magdalena als Botschaft verschlüsselt wurde, hat die Feministische Theologie erst 30-40 Jahre später entdeckt. Und die Geschichten sind keineswegs verbraucht, wenn man Historie und Aktualität zu unterscheiden oder besser: zu verbinden weiß.

Der Autor ist Kurator der Ausstellung und debattiert in der "Langen Nacht der Museen" mit Bischof Egon Kapellari über Margret Bilger und über die (Un-)Möglichkeit christlicher Ikonografie in der Moderne:

9. Oktober, 21 Uhr, Minoriten Galerien Graz, Mariahilferplatz 3, II. Stock

Die Ausstellung ist bis 16. Oktober

Di-So 10-18, Do bis 20 Uhr geöffnet.

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