Weltöffentlichkeit in Wien

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Der Mythos John F. Kennedy und seine Begegnung mit Nikita Chruschtschow in Wien. Das Wien Museum zeigt die Stadt-Inszenierung von 1961.

Elvis haben wir noch nicht gekannt und die Beatles gab es noch nicht", blickt der Wiener Erich F. auf die frühen 60er Jahre zurück. Im Jugendzimmer des Zeitzeugen hing stattdessen ein Poster mit dem Konterfei von John F. Kennedy: "Die damaligen österreichischen Politiker waren uns alle viel zu alt." Der 1963 ermordete US-Präsident war schon zu Lebzeiten ein Mythos, in Wien ebenso wie im Rest der Welt. Kennedy, der mit 43 Jahren jüngste je ins weiße Haus gewählte Mann, wurde weltweit als Lichtgestalt wahrgenommen, die den Weg in eine bessere, friedlichere Zukunft wies. Obwohl seine politische Bilanz als dürftig zu bewerten ist, steht die Polit-Ikone Kennedy heute wie damals für das Neue, das Frische, das Utopische. Diesem Popstar unter Amerikas Präsidenten widmet das Wien Museum Karlsplatz nun eine große, vom Deutschen Historischen Museum in Berlin übernommene Ausstellung - inklusive ein "Special", also eine kleine Sonderschau, die sich mit dem Wiener Gipfel von 1961 beschäftigt: jenem Wochenende im Juni 1961, an dem Kennedy und der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow in der österreichischen Bundeshauptstadt zu Gesprächen zusammentrafen.

Bühne der Weltgeschichte

Das "Special" ist weit mehr als ein Rückblick auf eine Begegnung zweier Spitzenpolitiker, die ergebnislos blieb (zwei Monate später wurde die Berliner Mauer errichtet). Es ist eine Ausstellung über eine Stadt, welche die Chance erhielt, sich für drei Tage im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit zu sonnen. Geradezu programmatisch verkündete Bürgermeister Franz Jonas, dass nun "die Bühne der Wiener Festwochen zu einer Bühne der Weltgeschichte" werde. Die Inszenierung, die dafür gewählt wurde, ist auch über vier Jahrzehnte später nur allzu vertraut: Wien präsentierte sich als Kulturmetropole voller kostbarer Relikte einer glorreichen Vergangenheit. "Für ein kurzes Wochenende schenkten K. u. K. der alten Residenzstadt den Glanz verblichener k. u. k.-Zeiten", merkte der "Spiegel" damals süffisant an.

Von dem Moment an, wo Kennedy und Chruschtschow sich anlässlich ihrer Höflichkeitsbesuche bei Bundespräsident Adolf Schärf am Balkon der Hofburg zeigten, spielte Österreich Donaumonarchie. Während die beiden Weltpolitiker in der Residenz des amerikanischen Botschafters beziehungsweise in der sowjetischen Botschaft verhandelten, wurde den mitgereisten First Ladies ein Touristenprogramm der Extraklasse geboten: Für Nina Chruschtschowa gab es Verdis "Don Carlos" in der Wiener Staatsoper, eine gemütliche Jause auf dem Cobenzl, einem beliebten Ausflugsberg, ein Konzert der Wiener Philharmoniker; Jackie Kennedy wurde verwöhnt mit einem Mittagessen in einem Restaurant in der Habsburgergasse, einer Führung durch die Augarten Porzellanmanufaktur, einem Besuch der Wiener Hofreitschule. Als das Ehepaar Kennedy den von niemand geringerem als Kardinal Franz König zelebrierten Sonntagsgottesdienst im Stephansdom besuchte, sangen dort für sie die Wiener Sängerknaben. Das moderne Wien, repräsentiert etwa durch Bauten wie den Ringturm oder die Stadthalle, wurde in diesen Programmen völlig ausgeblendet. Allein Chruschtschow besuchte ein Denkmal jüngeren Datums: Er legte einen Kranz an einem Denkmal für die Opfer des österreichischen Widerstandes nieder.

Ein Wochenende Monarchie

Höhepunkt der österreichischen Selbstdarstellung war das GalaDiner in Schloss Schönbrunn. Von dem mattweißen Porzellan, das schon bei den Hofdiners Kaiser Franz Josephs benutzt worden war, prangte der goldene Doppeladler. Das Kammerensemble der Wiener Philharmoniker spielte Mozart, dann sangen Waldemar Kmentt und Hilde Güden Strauß und Mozart. Am Schluss tanzte das Staatsopernballett zum Donauwalzer. Das Sofa aus Schönbrunn, auf dem Kennedy, Schärf und Chruschtschow auf dem offiziellen Foto sitzen, ist im Wien Museum ebenso zu bewundern wie jener schwarze Cadillac mit ausladenden Heckflossen, in dem Kennedy durch Wien gefahren wurde.

John F. Kennedy

mit Special: Gipfel Wien 1961 -

Chruschtschow und Kennedy

Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien

Bis 24. April, Di-So 9-18, Mi bis 20 Uhr

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