Werbung
Werbung
Werbung

Das neu eröffnete Niederösterreichische Landesmuseum sucht Kunst und Erlebnis zu verbinden.

Ein Publikumsmagnet soll es werden, das neue Niederösterreichische Landesmuseum im Regierungsviertel St. Pölten. Hans Hollein setzte sich mit diesem Schlussstein im neuen Hauptstadtkomplex an der Traisen freilich kein krönendes Museumsdenkmal. Das sogenannte Erlebnismuseum, das die Sparten Natur, Kunst und Landeskunde unter seinem formenreichen Dach vereint, bietet alles, woran diverse Shopping-Malls die Laufkundschaft der neuen Einkaufswelten schon gewöhnt haben. Zwischen ORFStudio und Klaus Kadas elegantem Festspielhaus liegt das neue Museum als Potpourri verschiedenster Geometrien und Kubaturen. Plakativ niederösterreichisch blau-gelbe, postmodern gewölbte, schiefe Säulen tragen wie ein gebautes Logo das geneigte Wellenvordach über dem Eingang. Das hier schon angedeutete Leitmotiv des Farben und Formenmix setzt sich überall fort. Allein die Dachlandschaft spricht Bände: hinter der Welle ein ruhiges Flachdach überm Foyer, links die spitzen Zacken der Shedhalle, gegenüber gleich drei gestaffelte viertelgewölbte Tonnen, wieder Flachdächer.

Erlebnismuseum

Der Kampf um die Publikumsgunst beginnt schon im Shop in der Eingangshalle: wie in Schönbrunn gibt es hier Plüschtiere zum Liebhaben neben Kunstbänden und Katalogen. Das "mit Abstand größte und ambitionierteste Museumsprojekt der Geschichte des Landes" (Pressetext) beschreitet in der Kombination Natur, Kunst und Landeskunde neue Wege. Erleben lässt sich hier im "Erlebnismuseum" unter den gläsernen Vierteltonnen einiges: gleich zwei Panoramalifte auf engem Raum, wie sie auch in jeder Shopping-Mall zum Standardinventar zählen. Außerdem eine Vielzahl ausgestopfter Tiere - ungefährlich starre, gläserne Blicke aus den eingesetzten Augen von Bären, Hirschen, Luchsen, Wölfen. Im Naturhistorischen Museum genießt man ähnliches im stilvollen Ambiente der Zeit, zu der diese Art der Tierpräsentation en vogue war. In Vitrinen geordnet behalten die Präparate einen Rest an Würde, hier werden sie zu Statisten, Aufputz im ohnehin reizüberfluteten Raum. Rampen in geschwungenen Formen führen in luftige Höhen auf Galerieebenen, von den man den Blick hinab ins künstliche Tier-reich oder hinauf zum mintfarbenen Konstruktionsgestänge heben kann. Sogar eisige Gletscherkälte lässt sich auf einer dieser Galerien betasten, eingebettet in einen Fels, der unter der Plattform weiterwuchert. Etikettenschwindel: unter dem Pseudostein sitzt wohl das Kühlaggregat, das dem Eis seine Überlebenstemperatur garantiert. Gegen Künstlichkeit wäre ja nichts einzuwenden, wenn sie sich nicht als Natur tarnte. Ein Baumstamm steht vor einem der Glaslifte, hier wird der feine Unterschied zwischen organischen Naturformen und geometrisierten Rundungen offensichtlich. Ein paar Aquarien gibt es, die Süßwasserfische darin sind echt - eine Eiche hingegen aus Plastik. Vielleicht freuen sich Kinder über die lustigen runden Rampen, das Skelett, das von der Decke baumelt und den lebendigen Farbverlauf der Wand, an der die Vögel präsentiert sind: sie schillert von orange bis blau. Mehr Interaktion als hier gibt es allerdings im benachbarten Klangturm, und mit den echten Tieren in Schönbrunn können die ausgestopften Präparate ohnehin nicht konkurrieren.

Die Mittelaltersammlung mit einigen innigen Heiligenskulpturen, dem Wultendorfer Relief oder der Flachauer Madonna hat es schwer, sich in der Außenzone der "Erlebnisarchitektur"zu behaupten.

Kunstsammlung

Exponate anderer Epochen haben es besser: im räumlich abgetrennten Bereich der Kunst endet die chaotische Reizüberflutung, hier kann man entspannt aufatmen. Die Galerie, in der Anton Hanaks Skulpturen stehen, präsentiert sich als ruhiger Verbindungsraum, eine Säulenreihe zur Rechten flankiert diesen Gang, die dahinterliegenden Fenstersprossen werfen reizvolle Schatten auf die Statuen. Allerdings stellt sich die Frage, ob das so erzeugte Streifenmuster optimale Bedingungen für die Skulpturenbetrachtung schafft.

Die Kunstsammlung des Niederösterreichischen Landesmuseums entschädigt für alles: allein ihretwegen lohnt sich der Ausflug nach St. Pölten. 30.000 hochrangige Exponate vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart besitzt das Land. Hollein entwarf dafür ruhige Ausstellungsräume mit Parkettboden und Kunstlicht, weiße Zwischenwände schaffen Nischen, in denen man sich jeweils auf etwa sechs Bilder wirklich gut konzentrieren kann. Der Sammlungsbestand ist vom Feinsten: im Barocksaal sind Werke von Martino Altomonte, Paul Troger, Franz Sigrist, dem großen "Kremser Schmidt", Franz Anton Maulbertsch und in sorgfältiger Sparsamkeit platzierte Skulpturen, etwa von Giovanni Giuliani zu sehen. Herausragend ist die Landschaftsmalerei des Biedermeier und Realismus, die als Sammlungsschwerpunkt im großen Oberlichtsaal präsentiert wird. Die Werke sind chronologisch gehängt, anhand der Arbeiten der berühmten Maler Friedrich Gauermann, Jakob Alt, Ferdinand Georg Waldmüller wird eine ganze Epoche lebendig. Faszinierend die sehr österreichisch geprägte Stimmungsmalerei mit ihren realistischen und impressionistischen Tendenzen. Großartig ist Emil Jakob Schindlers "Pappelallee nach Gewitter". Allein in dieses schön komponierte und in herrlicher Farbigkeit gemalte Gemälde könnte man sich lange Zeit versenken. Das Ende des 19. Jahrhunderts erweist sich als künstlerisch sehr fruchtbare Epoche: gelassen, souverän, unpathetisch stellt Theodor Hörmann einen "Steinbruch" dar, locker setzt er bloßfüßige Arbeiter ins Bild. "Das Bauernfenster" von Carl Moll besticht in strahlender Lichtmalerei, das weiße Gefieder einer Taube blitzt aus dem detailliert gearbeiteten Gemälde. Anton Romako ist mit seinem süßlichen "Mädchen mit Kaninchen" vertreten, Olga Wisinger-Florian, Marie Egner und Tina Blau beweisen als weibliche Kunstpionierinnen auf hohem Niveau ihr Können. Sie leiten - wie Carl Moll - in den Jugendstil über. Absolutes Highlight der Sammlung ist das Werk Egon Schieles, des größten Malergenies, das in Niederösterreich geboren wurde. "Die zerfallende Mühle" gilt als bedeutendstes Exponat, beachtlich auch die Komposition der "Sonnenblumen" oder die Art und Weise, wie Schiele in "Boote im Hafen von Triest" in starkem, expressivem Farbauftrag die Wasserspiegelung darstellt. Ferdinand Andri, Broncia Koller-Pinell, Anton Faistauer und Oskar Kokoschka ergänzen diese Zeit.

Vielfalt der Moderne

"Welttheater Heimat" - unter diesem Titel betritt das Niederösterreichische Landesmuseum kritisch-reflektierend die Kunst-Gegenwart ab 1945. Architektonisch ist der Teil in der Shedhalle angesiedelt: eine geeignete Bühne für die Vielfalt moderner Kunst, in der sich Großformatiges und Skulpturen gut präsentieren lassen. Herbert Boeckls Entwurf für den Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper, "Das große Welttheater", macht den chronologischen Anfang, Hermann Nitsch mit seinem Orgien-Mysterientheater, der Aktionist Rudolf Schwarzkogler, Elke Krystufek dürfen nicht fehlen, ansonsten gibt es Arnulf Rainer, Franz Wurm, Gunter Damisch, Herbert Brandl und eine Menge anderer zeitgenössischer Klassiker zu sehen. Dass sich Natur und Kunst auch auf höchstem Niveau verbinden lassen, zeigt die Schwerpunktschau "Wasser" am Ende des Rundgangs. Ein bisschen von der Atmosphäre, die hier herrscht, hätte man sich für das Gesamtkonzept auch gewünscht. Eine Symbiose zwischen den beiden Schwerpunkten Natur und Kunst findet hier nämlich nicht statt.

Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung