Wem gehört Herr K. eigentlich heute?

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40 Jahre Frauenbewegung: Impressionen von einer Veranstaltungsreihe zum Zweck der Selbstvergewisserung im Wiener Kosmos-Theater.

Mit Alice Schwarzer, Barbara Duden und VALIE EXPORT geht die intensive (Rück)Schau im KosmosTheater durch die Drehtüre der Zeit. "Da, wo wir vor 40 Jahren hineingegangen sind, kommen wir heute wieder heraus. Die öffentliche Rede hat sich zwar verändert, aber die Bedingungen sind so gut wie gleich schlecht geblieben“, konstatiert die deutsche Historikerin und Sozialwissenschaftlerin Barbara Duden.

Die heute 71-jährige Pionierin reflektiert im Wiener Kosmos-Theater das Problem der Geschlechter-Gleichstellung, die aus ihrer Sicht nichts anderes als eine Erosion von Geschlecht bewirkt. Die Rhetorik der Politik ist janusköpfig, denn die Versprechen von Gleichheit haben zur Folge, dass Frauen schlicht nicht mehr direkt genannt werden, so Duden. Die Neutralität in der Sprache, die De-Thematisierung von Geschlecht treffen in der Konsequenz erst recht wieder Frauen.

Wenn etwa die EU von Prekariat, Altersarmut und Niedriglohnsektoren spricht, dann wird nicht nach Geschlecht differenziert. Aber gerade die Frauen sind es, die den höchsten Prozentsatz der Beschäftigten im Dienstleistungssektor sowie in schlecht bezahlten Pflege- und Sozialberufen ausmachen. So sind sie zwar normativ gleichgestellt, systematisch aber benachteiligt.

Wo sind wir also angekommen, was hat die Frauenbewegung der 1970er Jahre bewirkt, die nach weiblicher Selbstbestimmung, Autonomie und Gleichwertigkeit verlangte? Tatsächlich konnten damals einige der zentralen Forderungen realisiert werden. Elfriede Jelinek bringt es auf den Punkt, wenn sie über die Rückgewinnung des Herrn K. schreibt. Herr K. - das ist der von den Ehemännern, Ärzten, Kindern und Pflegebedürftigen beherrschte weibliche Körper, über den eine männliche Gesetzgebung verfügt(e). Es waren dann Politikerinnen wie Erika Seda, Anna Demuth, Johanna Dohnal und viele andere, die Pionierarbeit für die Verbesserung der gesellschaftspolitischen Bedingungen für Frauen leisteten. Nicht zuletzt entstand die Neue Frauenbewegung auch aus dem Kampf um die Fristenregelung. 1973 wurde die Fristenregelung verabschiedet, die 1975 in Kraft trat.

40 Jahre später stellen sich die Wegbereiterinnen von damals den Fragen der Feministinnen von heute, denken gemeinsam über vermeintliche Generationenkonflikte sowie über Diskriminierung im Neoliberalismus nach. Den Rahmen für Gespräche, Aktionen, Performances und eine Ausstellung bot das Wiener KosmosTheater, das selbst erst im Jahr 2000 als "kosmos.frauenraum“ eingerichtet wurde.

Leise feministische Lieder

Drei Tage (24. bis 26. Oktober) trafen sich dort die damaligen Exponentinnen, heutigen Aktivistinnen und viele Interessierte. Unter dem Motto "Liebhaberinnen des Radikalen“, so der Titel der Veranstaltungsreihe, dachte man kritisch über die Ergebnisse und den aktuellen Handlungsbedarf nach, feierte aber auch die Erfolge.

Darunter trat VALIE EXPORT auf, sie eröffnete die Ausstellung "ZusammenHalt!“, die mit Bild- und Tonbeispielen, mit Unikaten aus den Archiven der Aktivistinnen, von den 40 Jahren der Neuen Frauenbewegung und der 1973 gegründeten AUF (Aktion Unabhängiger Frauen) erzählt.

Leise sang Lise V. Smith dazu feministische Lieder, denn schwer war und ist es, sich als Frau Gehör zu verschaffen, nicht nur in den 1970er Jahren, sondern auch noch heute. So sehen es auch die Autorinnen Käthe Kratz und Lisbeth N. Trallori in ihrem Buch "Liebe, Macht und Abenteuer“. 30 Repräsentantinnen beschreiben darin ihren feministischen Werdegang, die Lebensbedingungen und Wertevorstellungen von damals. Die Autorinnen beschäftigen sich aber auch mit den aktuellen Diffamierungskampagnen, die sich das emanzipative Konzept der Selbstbestimmung aneigneten und pervertierten. Laut Barbara Duden stehen wir heute alle vor der Herausforderung, von sich zu sprechen und nicht über sich und den Möglichkeiten des Wünschens wieder Raum zu geben.

ZusammenHalt!

Ausstellung zu 40 Jahre Neue Frauenbewegung in Wien, bis 7. 12., Di-Sa, 18-21 Uhr

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