Wenig Freude über den nächsten Zehnjahresplan

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Der EU-Gipfel diese Woche berät über die Wirtschaftsstrategie „Europa 2020“, EU-Kontrolle akzeptieren die Regierungschefs aber nur bei Griechenland.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl lässt kein gutes Haar an der von der EU-Kommission ausgearbeiteten Wirtschaftsstrategie „Europa 2020“, die ganz oben auf der Tagesordnung des EU-Frühjahrsgipfels am Donnerstag und Freitag in Brüssel steht. Für Leitl besteht der Text aus „Plattitüden“, wie er am Montag bei einer Diskussion der Sozialpartner-Präsidenten seinem Ärger Luft machte, und er fügte enttäuscht hinzu: „Das trifft mich als überzeugten Europäer besonders ins Mark.“ Ein Firmenchef, mit einem derartigen Geschäftsplan konfrontiert, sagte Leitl, würde sein Strategieteam zurück an die Arbeit schicken.

Als „irrelevant“ bezeichnete er einzelne Vorgaben der 2020-Strategie, so zum Beispiel das Ziel, in zehn Jahren auf eine Rate von 40 Prozent (derzeit 31 Prozent) an Uni-Absolventen in der Europäischen Union zu kommen. Leitl: „Was brauchen wir 40 Prozent Akademiker, uns gehen die Facharbeiter ab!“

Neben dieser Vorgabe für mehr Hochschulbildung zählt „Europa 2020“ noch vier weitere Kernziele auf: Bis 2020 sollen 75 Prozent der Menschen zwischen 20 und 64 Jahren im Erwerbsleben stehen (derzeit 69 Prozent); zudem sollen die EU-Staaten ihre Ausgaben für Forschung auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigern (derzeit 1,8 Prozent). Außerdem soll der Anteil der Schulabbrecher unter zehn Prozent gedrückt werden (derzeit 15 Prozent). Schließlich müssten bis 2020 um 20 Millionen Menschen weniger vom Armutsrisiko betroffen sein wie heute.

Planwirtschaft wie in der UdSSR

Neben Leitl kritisierten auch die anderen Sozialpartner-Capos die 2020-Strategie: Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel erinnert der Zehnjahresplan an die Planwirtschaft in der Sowjetunion und er moniert: „Die Basis für die Ziele, die erreicht werden sollen, nämlich Wachstum und Beschäftigung, wird überhaupt nicht angesprochen.“ ÖGB-Chef Erich Foglar sieht EU-2020 mit der gleichzeitig angestrebten Budgetkonsolidierung kollidieren. Der gleiche „Systemfehler“ habe schon den 2020-Vorgänger Lissabon-Strategie scheitern lassen. Für Foglar ist es „immerhin positiv, dass neue Ziele formuliert wurden“. Ähnlich argumentierte auch Wifo-Chef Karl Aiginger, für den die 2020-Strategie „grundsätzlich richtig, aber nicht ausreichend“ ist (siehe auch Aigingers Economics-Kolumne diese Seite). EU-Kommissar Johannes Hahn verteidigte die Kommissionsvorlage für EU-2020 in Wien und forderte „substanzielle Kontrollmöglichkeiten“ für Brüssel in Wirtschaftsfragen.

Damit liegt er konträr zu den Vorhaben der Staats- und Regierungschefs im Rat. Im Entwurf für die Abschlusserklärung des dieswöchigen Gipfels heißt es, die Mitgliedstaaten würden ihre Ziele „im Lichte“ der Brüsseler Vorgaben selbst definieren und dabei ihre nationalen Umstände berücksichtigen. Mit den von Kommissionspräsident José Manuel Barroso wie Kommissar Hahn geforderten Kontrollmöglichkeiten wird es also nichts werden. Eigenartig. Beim inoffiziellen Hauptthema des Frühjahrsgipfels geht es nämlich ausschließlich um Kontrolle und wie ein Land unter Kuratel gestellt werden kann – aber das betrifft ja nur Griechenland.

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