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"Rückschau ist nicht meine Sache. Abschied ist meine Sache. Abschied ist ganz wichtig", so Noch-Burgtheaterdirektor Klaus Bachler über seine "Abschiedssaison" am Burgtheater.

Nach zehn Jahren verlässt Klaus Bachler, der bereits seit Jänner 2009 parallel zur Burg die Bayerische Staatsoper leitet, Wien auf unkonventionelle Weise. Keine großen Inszenierungen bilden den Endpunkt seiner Ära, auch kein Erinnerungsband, sondern ein Fest markiert Abschied und Aufbruch.

Bachler konnte für das Vorhaben die Künstlerin Carmen Brucic gewinnen, die sich 2001 mit dem Projekt "Lovepangs" einen Namen machte, das ähnlich konzipiert war und erfolgreich an der Berliner Volksbühne, in Frankfurt, Gent und Ljubljana gezeigt wurde.

Unter dem Titel "Symmetrien des Abschieds" wird kommendes Wochenende ein "Kongress" veranstaltet, der Bachlers Burgtheaterdezennium abschließt. "Eine Zeremonie des Abschieds sei wünschenswert", so schreibt der Kulturpublizist Franz Schuh dazu, wenn einer weggeht. Schuh wird selbst auch zu den "Abschiedsexperten" des Kongresses zählen, die das "Herzstück" ausmachen. Rund 120 ausgewählte Personen, die sich wissenschaftlich, künstlerisch oder persönlich spezifisch mit dem Thema Abschied beschäftigt haben, werden für vertrauliche Gespräche in den Logen zur Verfügung stehen. Beim Eintritt ins Burgtheater kann sich der Besucher am "Check-in-Terminal" für die Expertentermine anmelden.

"Momenttheater" zum Nachspielen

Brucic hat die unterschiedlichsten Personen mit jeweils reichem Erfahrungsschatz eingeladen. Neben Bachler selbst sind der Ökonom Kurt Rothschild, der über das Ende des Neoliberalismus spricht, die Ex-Boku-Rektorin Ingela Bruner, Ute Bock, Carl Djerassi, Johanna Dohnal, Johann Fleischer, der Betreuer des eingemotteten AKW Zwentendorf, Rudolf Scholten, Herz-Chirurg Raimund Margreiter und Elizabeth T. Spira ebenso anzutreffen, wie der bekannte Jazzmusiker Wolfgang Muthspiel oder die Neonatologin Marina Markovich. Musikprogramme, Performances, Tanz und Filme finden parallel zu den Gesprächen statt. Bachler öffnet also das gesamte Burgtheater für seine Besucher und macht diese selbst zu Agierenden. Im "Momenttheater" kann man mit Burgschauspielern Abschiedsszenen der Weltliteratur nachspielen, im Erzherzogzimmer gibt es die Installation "Anleitung zur Erschießung eines Kaisers" und ein Briefeschreiber nimmt Aufträge für Abschiedsbriefe an, die er verlässlich innerhalb der kommenden zwölf Monate an die angegebenen Adressaten abschickt.

Damit verabschiedet sich Bachler nun auf unsentimentale Art, in der es nicht darum gehen soll, Bilanz zu ziehen, sondern sich mit dem Aufbruch zu beschäftigen. "Ich werde jetzt immer wieder nach einer Bilanz der vergangenen zehn Jahre gefragt, aber eigentlich interessiert mich das gar nicht. Mich interessieren nur die Gegenwart und die Zukunft. Aber so wenig ich mich für Vergangenheit interessiere, so sehr interessiere ich mich für Abschied. Stendhal sagt, dass alles, was man im Abschied nicht gut löst, auf der Seele liegen bleibt", so Bachler.

Der Kongress unterstreicht damit aber auch den Eindruck, dass Bachler diese Dekade ganz gerne abschließt. Im März erhielt er, dessen Direktion man mit den Begriffen "unaufgeregt" und "konsensual" beschreiben möchte, noch eine der höchsten Auszeichnungen des Burgtheaters, nämlich die Ehrenmitgliedschaft (die keine unbedingte Selbstverständlichkeit ist, immerhin erhielt Claus Peymann, der länger Direktor war, diese Auszeichnung nicht).

Bachler ging freilich seltener in direkte Konfrontation als Peymann, gab sich vielmehr als stiller Manager im Hintergrund. Darin unterscheidet er sich grundlegend von seinem Vorgänger und auch von seinem Nachfolger, Matthias Hartmann, die beide vor allem Regisseure sind. Bachler hingegen, der als Schauspieler startete, kennt den Theaterbetrieb von der Bühne selbst, die Organisation eines großen Hauses lernte er als künstlerischer Betriebsdirektor am Berliner Schillertheater von 1987 bis 1990 kennen. Nach zwei Jahren Paris wurde er Intendant der Wiener Festwochen und ab 1996 leitete er die Volksoper. 1999 übernahm Bachler von Peymann das Burgtheater und führte es bis 2007 relativ skandalfrei mit einem ausgewogenen Programm zwischen Klassik, Moderne, Trash und Uraufführungen, bei denen er allerdings kaum Risikofreudigkeit zeigte.

2007 ging die bis dahin äußerst erfolgreiche Zusammenarbeit mit seiner Oberspielleiterin Andrea Breth in die Brüche. Breths groß angelegte Inszenierung von Schillers "Wallenstein" (für zwei Abende geplant) musste aus Krankheitsgründen abgesagt werden. Den "Wallenstein" inszenierte schließlich Thomas Langhoff in einer gekürzten Fassung. Breth kehrte als Regisseurin erst wieder 2008 mit Simon Stephens "Motortown" zurück. Ohne ihre ausgezeichneten Arbeiten ist Bachlers Intendanz nicht zu beschreiben: Für ihre legendäre "Emilia Galotti"-Inszenierung und ihren "Don Carlos" wurde sie mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen und erhielt 2006 den hoch dotierten Theaterpreis Berlin.

Klare Linie gegen politischen Rechtsruck

Neben Breth etablierte sich Nicolas Stemann mit seinen Elfriede-Jelinek-Interpretationen, vor allem mit "Das Werk" oder "Babel". Aber auch Schlingensiefs "Bambiland"-Inszenierung sowie das Gastspiel "Ulrike Maria Stuart" waren Jelinek-Vorzeigeaufführungen. Ihr jüngstes Drama, die Wirtschaftskomödie "Die Kontrakte des Kaufmanns", konnte am Akademietheater als Ur-Lesung des Schauspiels Köln präsentiert werden. Unter Bachler wurde aber auch das frühere Enfant terrible unter den Theaterperformern, René Pollesch, institutionalisiert und ist nun Fixpunkt am Spielplan.

In die Burgtheater-Annalen werden vor allem Martin Kusejs Arbeiten eingehen, so "Weh dem, der lügt", "Glaube und Heimat", "Glaube Liebe Hoffnung", "König Ottokars Glück und Ende", "Höllenangst" oder zuletzt "Der Weibsteufel". Natürlich hat es in den zehn Jahren auch Raum für neue "Stars" gegeben, so konnten Nicholas Ofczarek und Birgit Minichmayr ihre schauspielerische Bandbreite ausreichend unter Beweis stellen.

Thematisch positionierte sich Bachler mit seinem Shakespeare-Zyklus und einer klaren Linie gegen den politischen Rechtsruck in Österreich. Damit übergibt er die erste Bühne im deutschsprachigen Raum als gut geführtes Haus mit erstklassigen Schauspielern und einem Spielplan, der sich zwar durch Vielfalt auszeichnet, aber sicher nicht durch die Präsenz österreichischer Nachwuchsdramatiker. Mit Handke und Jelinek ging Bachler kein Risiko ein, und die wenigen Chancen, die er den Jungen gab, wie etwa Bernhard Studlar, waren nicht nachhaltig. Dass er in dieser Situation akkurat den Nicht-Dramatiker Robert Menasse mit einem Stück beauftragte - das ja auch scheiterte -, zeugt nicht unbedingt von transparenter Führung.

Nachdem auch noch der groß geplante "Faust" wegen Jürgen Goschs Krankheit abgesagt wurde, wäre Bachler gezwungen gewesen, sich "wortlos" zu verabschieden. Mit Brucic' "Symmetrien des Abschieds" erfüllt er sich den Wunsch, das Thema aufzugreifen und setzt gleichzeitig einen markanten Schlusspunkt.

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