"Wenn ich nur die Ruhe hätte"

Werbung
Werbung
Werbung

Josef Fenz alias Hermes Phettberg gilt als enfant terrible der heimischen Medienszene. Im Interview spricht der Publizist und Showmaster ("Nette Leit Show", "Beichtphater Phettberg") über das Fasten.

Die Furche: Das Fasten kommt - gerade in unserer Diät-zersetzten Welt - immer mehr in Mode...

Hermes Phettberg: Es ist ein Glück, dass das Fasten in Mode kommt. Wir nützen ja heute die Religionen nur mehr als eine Art Kybernetik der Lebensweisheit. Der Aschermittwoch ist die Erinnerung: Moment, jetzt wird es warm. Oder zu Maria Lichtmess, Anfang Februar, kommt meistens ein kleiner Zwischensommer. Das sind jahrhundertelange Erfahrungen, die die Kirche gecovert hat. Und nun hat wiederum die Mode die Kirche gecovert.

Die Furche: Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit dem Fasten?

Phettberg: Ich habe alles gemacht: Heilfasten, Kneippkuren, Zen-Meditation, Akupunktur, ignatianische Exerzitien - einfach alles. Sicher ein ganzes Jahr meines Lebens habe ich überhaupt nichts gegessen. Einmal habe ich drei Monate lang gefastet, ein Mal zwei Monate lang...

Die Furche: Unter ärztlicher Anleitung?

Phettberg: Die Ärzte sind eine Mystifikation - und ihre Anleitung ist eine Phantasie der Laien: Ich habe schon begriffen, was mit mir los ist - ich habe Diabetes. Ich könnte das in den Griff bekommen - wenn ich nur die Ruhe hätte. Sieben Jahre lange habe ich keine Existenzgrundlage gehabt: Ich bin ja freischaffend, nicht arbeitslosenversichert und dementsprechend nervös. Die Frage ist immer: Hat man auch die Ruhe zum Fasten? Hat man die Miete bezahlt? Ein Gefängnis ist auch ein guter Ort zum Fasten, wenn einem jemand draußen das Leben für nachher bereitet...

Die Furche: Wie haben Sie Ihre monatelange Fastenzeit empfunden?

Phettberg: Das ist ein Askeserausch. Einmal bin ich um 100 Kilo abgemagert: Damals habe ich zu einer Mahlzeit zwei Salatblätter und zwei Mandelnüsse gegessen. Das ist schon ein Glücksgefühl: jede Woche eine Bluejean-Größe enger. Ich habe ja grundsätzlich die Theorie: Man kann entweder nur 500 Kalorien zu sich nehmen oder 3.000. Dazwischen ist alles in einem unglaublich nervösen Bereich.

Die Furche: Wie gleitet man in eine solche Askesesucht?

Phettberg: Durch Beruhigtheit. Im Herbst 1999 wurden 400.000 Schilling für mich gespendet. Davon konnte ich das ganze Jahr 2000 leben. Die Zeit in Hamburg hat angerufen, ob ich eine Kolumne für sie schriebe; und der Franzobel hat für mich ein Theaterstück geschrieben. Insgesamt hatte ich das Gefühl, jetzt beginnt eine neue Möglichkeit. Da habe ich 88 Kilo abgenommen. Am 20. August 2000 hatte ich 78 Kilo. Doch aus all diesen Plänen wurde nichts. Es gab keinen Frieden mehr - und dann kam wieder der Hunger. Ein Jahr später hatte ich wieder 172 Kilo.

Die Furche: Sie bezeichnen sich selbst als "fresssüchtig"...

Phettberg: Das ist natürlich eine Ausrede, wenn der Suchtkranke sagt: "Ich bin suchtkrank." Damit wird er zum Motor seiner Sucht. Denn wenn der Trinker erst einmal beginnt zu sagen "Ich bin ein Trinker", dann sagt er ja zugleich: "OK, ich muss also trinken." Insofern ist der Suchtkranke, der leugnet, dass er suchtkrank ist, von der Strategie her gar nicht so falsch. Am sichersten ist wahrscheinlich die stabile Ruhe, die für den Suchtkranken wie eine Art Teufelsaustreibung wirkt.

Die Furche: Gibt es bei Ihren Essanfällen ein Ritual?

Phettberg: Nein, das ist eine Verfallenheit, eine Verworfenheit. Da ist nichts mehr elegant, das ist nur mehr Elend.

Die Furche: In der Öffentlichkeit wird diese Sucht oft als mangelnde Selbstbeherrschung interpretiert...

Phettberg: Es wird oft über mich geschrieben: Der kann sich nicht beherrschen. Nach dem Motto: Jemand, der sich nicht beherrschen kann, der kann nicht ins Fernsehen gehören, denn das ist eine unausgereifte Persönlichkeit. Das ist eine Sicht des Menschen, als ob es nur Gute oder Böse gäbe. Doch wir sind durchwachsen mit allen möglichen positiven und negativen Aspekten. Es kann keine Charakterfrage sein, wie suchtkrank jemand ist. Als ob es eine verschuldete Not gäbe. Verschuldete und unverschuldete Not ist nicht voneinander zu unterscheiden.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Nähere Informationen unter www.phettberg.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung