Wenn Leistung nicht lohnt

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Die Diskussion um das Einkommen des US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney zeigt die Krise, in der sich viele konservative Parteien befinden. Man nimmt ihnen ihre Ideale von Gerechtigkeit und sozialem Aufstieg nicht mehr ab.

Zeugen der US-republikanischen Vorwahlen kann schon einmal die Verwunderung überkommen. Nicht etwa, weil der eine Kandidat nicht weiß, dass es neben Israelis auch noch Palästinenser im Westjordanland gibt. Nicht, weil der Zweite gerne Verhütungsmittel in der Ehe verbieten würde; und der Dritte gerne Spiegel im Weltall installieren möchte zur Beleuchtung gefährlicher Stadtteile in Chicago. Das dokumentiert nur das ohnehin bekannte erbärmliche Niveau. Erstaunlich ist aber, dass der einzig aussichtsreiche Kandidat gegen Barack Obama, Mitt Romney, mit dem Vorwurf geschlagen wird, er sei zu reich und zahle zu wenig Steuern.

Das ist kurios für eine Partei, die den "American Dream“ vom Aufstieg des Tellerwäschers zu Glück und Reichtum zum ökonomischen Ideal verklärt. Und galten bei den Republikanern nicht vor Kurzem Steuern noch als Höllenwerkzeug? Auf den ersten Blick mag das verwirrend erscheinen, aber bei näherem Hinsehen finden sich Anhaltspunkte für eine Systemschwäche der konservativen Politik, die weit über die USA hinausreicht.

Wunsch und Wirklichkeit

Das hängt vor allem mit den Wünschen der potenziellen konservativen Wähler zusammen. In Amerika wie in Europa ergeben Umfragen, dass sich in der Krise weit über die Hälfte der Bürger nach bewahrenden, konservativen Idealen sehnen: Sicherheit, Familie, wirtschaftliche Stabilität etc. Das wäre für US-Republikaner, die CDU, die ÖVP eigentlich eine gute Entwicklung, möchte man glauben. Allein: Es handelt sich um eine Sehnsucht nach Werten, welche den bürgerlichen Parteien immer weniger zugeordnet und auch zugetraut werden.

Das beginnt mit der vielbeschworenen Leistungsgerechtigkeit. In den USA wie in Europa stehen Konservative für die Möglichkeit, durch Einsatz und Können gesellschaftlich aufzusteigen. Gerechtigkeit heißt: Arbeitseifer wird belohnt, zu viel Gier und Risiko tendenziell durch Bankrott bestraft.

Diese Weltsicht hat bei wachsender Wirtschaft viele belohnt und ihren Glauben in konservative Parteien gefestigt.

Dieses Ideal wendet sich aber in dem Augenblick gegen seine Verfechter, in dem der breite Mittelstand nicht mehr aufsteigt, sondern in der Reichtumsskala trotz aller Anstrengung nach unten rutscht, die Reichsten dagegen steuerschonend und ganz legal immer reicher werden - wie das heute in den USA (siehe Mitt Romney), aber auch in Europa der Fall ist. Dazu kommt, dass in der Krise das höchste und unverantwortlichste Risiko durch staatliche Stützung "systemrelevanter“ Unternehmen belohnt wurde.

Europa hat dazu ein weiteres Problem: Das konservative Leistungscredo wird in den meisten Staaten von einem Bürokratie-Moloch beinahe erdrückt. Auch in Österreich. Unternehmerisches Handeln wird durch Formalitäten und Auflagen gebremst. Die Vertreter dieser Behörden leiten ihre Existenzberechtigung gerne aus dem Anspruch ab, das Staatsgefüge aufrechtzuerhalten.

Das fehlende Soziale

Doch diesen Staat und seine Strukturen gäbe es wesentlich billiger und effizienter - wie jedem Rechungshofbericht zu entnehmen ist. Hier hat es den Anschein, als erschöpfte sich das Konservative in der Konservierung von Systemfehlern.

Die Sehnsucht nach alten Werten bezieht sich schließlich auch auf gesellschaftliche Solidarität. Diesen Bereich (etwa die Christliche Soziallehre) scheint man, zumindest bei der ÖVP wegen Sozialismusverdachtes zur Caritas abgeschoben zu haben. Das ist insofern schlecht, als die Rhetorik der VP zum Thema Soziales sich aus Fragwürdigkeiten speist: Rehleinaugen, Ankerkinder, Sozialschmarotzer. Aus all dem ergäben sich massigst Aufgaben für konservative Politiker. Eine Reform des Systems, des Staates und der Parteien selbst. Geschieht das nicht, droht eine inhaltliche Sklerose. Die Symptome dieser Krankheit lassen sich schon seit Jahren freien Auges erkennen. Das Bedenkliche: Von Reform ist noch nichts zu sehen, weder bei den US-Republikanern noch bei der CDU in Berlin - und schon gar nicht bei der ÖVP in Wien.

oliver.tanzer@furche.at

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