Wenn Medien ein Spiegel der Gesellschaft sind

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Am 3. Juni startet RTL sein "Erwachsen auf Probe". (Vor-)Fragen zu einer umstrittenen TV-Sendung.

Ich gestehe, ich bin in die Falle getappt: 1. Ich fand die Idee, kinderwilligen Teenagerpärchen Erfahrungen mit Kindern zu ermöglichen, gar nicht schlecht. 2. Ich ließ mich durch die Tatsache blenden, dass im Hintergrund Vorkehrungen für die Babys getroffen wurden. 3. Ich wollte nichts sagen über eine Sendung, die noch gar nicht ausgestrahlt ist.

Nun bin ich froh, dass ich öffentlich Position beziehen soll und dadurch begonnen habe, intensiver über "Erwachsen auf Probe" nachzudenken. Ich stelle mir grundsätzliche Fragen: Muss man wirklich erst abwarten, bis etwas geschehen ist, um einzugreifen? Welchen Gütern gebe ich bei der Interessensabwägung mehr Gewicht? Im konkreten Fall stehen Meinungsäußerungsfreiheit (RTL), Kindeswohl (Babys), Schutz der Menschenwürde (Teenager), aber auch Vertrauen (Medienmündigkeit der Zuseher) zur Debatte. Ich frage mich selbstkritisch, warum ich gedanklich Partei für die Sendung ergriff:

* Mich störte die Vorverurteilung durch Kritiker, denn nur weil es ein privater Sender macht, ist nicht alles schlecht. Minderjährige Eltern und Beziehungs- und Erziehungsprobleme sind ein wichtiges gesellschaftliches Thema, aber es wird von den öffentlich-rechtlichen Sendern (würden sie es besser machen?) und anderen Instanzen nicht wahrgenommen.

* Die kolportierte pädagogische Implementierung in Großbritannien (BBC) verleitete mich dazu, die mediale Begleitung der Teenager in einer zeitgemäßen(!) Form weniger kritisch zu sehen. Doch das Ziel -Abschrecken vom Kinderkriegen - wurde verschleiert.

* Die kolportierten Vorkehrungen für die Babys durch Mütter und Expert(inn)en verschafften Beruhigung - aber das ist eigentlich (trotz aller notwendigen Inszenierung) Betrug am Zuseher.

So ließ ich mir Sand in die Augen streuen, aber jetzt ist der Sand ins gedankliche Getriebe gekommen!

Das Publikum soll sich nun anhand vorgeführter Teenager erregen, mit dem Ziel, dass Minderjährige nur ja keine Kinder in die Welt setzen. Treiben nicht schon viel zu viele ab, weil sie dies eh nicht wollen, aber zu wenig bzw. falsch (durch Pornokonsum) "aufgeklärt" sind? Kommt es zu dieser Entfremdung, weil Beziehung und Verantwortung kein Thema ist? Und - da die Probanden dieses Experiments ja selbst noch Kinder sind - zeigt man ihnen damit nicht, dass sie selbst auch unerwünscht sind? Dies sind alles völlig falsche Zeichen in einer Zeit des Umbruchs, der Unsicherheit …

Bei Heranwachsenden ist Nachahmung, Lernen am Modell das wichtigste Lernprinzip. Lernen anhand von Negativbeispielen (wie auch über Angstmachen) ist generell problematisch. Sind wir, die Erwachsenen, als Modell geeignet oder wie können junge Menschen erfolgreich leben lernen? Was bieten ihnen dafür die Medien an? Sie werden - wie auch das erwachsene Publikum - durch Doku-Soaps betrogen und gleichzeitig beruhigt, denn alles "ist ja gar nicht so schlimm, wie es aussieht". Aber wer macht sich das immer bewusst? Medien sind auch ein Spiegel der Gesellschaft - was erkennen wir darin?

* Die Autorin ist Kommunikationswissenschafterin u. Medienpädagogin

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