Wenn sich Natur in der Musik aufführt

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Die lange Tradition von der Nachahmung der Tierstimmen bis zu einer neuen Ökologie des Klangs beim Cheltenham Festival.

Für Bernie Krause sind die Klänge der natürlichen Umwelt längst zur Musik der Natur geworden. In der engeren Beziehungsgeschichte von Ökologie und Kunst ist das durchaus einleuchtend. Zusammenhängende Klanglandschaften der Biophonie, denen der Mensch seine eigene Musik abgelauscht habe, könnten durchaus ein Ursprung von Musik sein, und auch für viele Komponisten der abendländischen Musik lag das Thema auf der Hand, besonders was die Klangwelt der Vögel angeht.

Die Tradition der künstlerisch-musikalischen Nachahmung von Vogelstimmen lässt sich bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen. Während sich die Gaukler auf mittelalterlichen Märkten als Tierstimmenimitatoren hervortaten, feierten Hofbarden wie Walther von der Vogelweide oder Oswald von Wolkenstein die Vögel in lyrischen Worten, und damit das ganze Reich der Natur.

Beziehungen der Klänge

Später übernahmen Musikinstrumente den Part der Nachahmung, so dass Wald und Biophonie und viel Romantik in die Hallen der Zivilisation zurückkehrten. Die weltliche Musik kennt zahllose Beispiele naturmimetischer Kompositionen mit Vogelstimmen, sei es Mozarts volkstümlich-dreistimmiger Kanon "Die Nachtigallen“ oder Beethovens 6. Symphonie. Vogelstimmen kehrten auch in die Kirchenräume zurück, etwa in Händels Konzert für Orgel und Orchester - und für "Kuckuck und Nachtigall“. Die Musikliteratur der jüngeren Zeit hat in Olivier Messiaen sogar einen ausgewiesenen Vogelexperten, der 1953 mit dem "Erwachen der Vögel“ erstmals eine reine Vogelstimmenkomposition zu Gehör brachte.

Messiaens Naturbearbeitungen lösen die strikte Nachahmung auf und gehen bis zur orchestralen Anverwandlung ganzer Klanglandschaften, inklusive Wasserfall. Das ist im Prinzip schon die Annäherung an eine klangökologische Beziehung von tierischen Lauten und geophonischen Geräuschen mit Tönen und Klängen der Musik, wie sie auch R. Murray Schafer anstrebt. Der kanadische Komponist, Philosoph des Hörens und Mitbegründer des "World Soundscape Projects“ von Vancouver gehört zu den Begründern einer einflussreichen Tradition, die Hörspielmacher und Avantgardemusiker, Ökologen und Umweltaktivisten vereint. Im Idealfall könnten alle klanglichen Phänomene der Welt in Beziehungszusammenhängen gehört werden, wobei diese Beziehungen permanent zu erforschen sind. Das kann zuweilen esoterisch und spirituell werden, durchaus aber auch Lärm als kreative Herausforderung verstehen. Oder man dreht die Verhältnisse um und bringt die Musik zurück in die Natur. So stellt Murray Schafer ein Orchester an die Ufer eines Sees und taktet die Einsätze der verschiedenen Gruppen nach den Lauterscheinungen der Natur. Die Musikethnologie schwärmt derweilen von den unkontaktierten Völkern am Amazonas, die in Wechselrede mit den Klängen ihrer Waldumgebung musizieren.

Zurück zur Natur also? Die künstlerischen Einübungen in eine Ökologie des Klangs sind jedenfalls kaum ohne Technik denkbar, etwa elektronische Klangerzeuger und digitale Speichermedien. Es begann mit dem Auftritt einer Grammophon-Nachtigall in einem Schlosskonzert und führt direkt in die digitalen Klangspeicher unserer Gegenwart. Darin befinden sich nun auch die Ökosoundscapes von Bernie Krause und anderen Ökoakustikern. Wobei natürlich die Frage aufkommt, wie gerade hochtechnische Klangquellen eine Rehabilitierung der Natur in der Kunst ermöglichen. Immerhin - was instrumentale Mimesis ins Werk setzt, indem sie die echte Klangquelle der Natur ausschließt, bringt der digitale Recorder aus der ganzen Welt vital in den Saal.

Krause hat nun ein einmaliges Crossover von Musik und Naturklang bewirkt. Fasziniert von Krauses Buch, komponierte der Filmkomponist Richard Blackford eine Symphonie in fünf Sätzen, die jeweils mit der Einspielung einer biophonischen Klanglandschaft beginnen und mit dem Orchester interagieren. Die Uraufführung am 12. Juli in der Townhall von Cheltenham war ein voller Erfolg, auch Jeremy Pound, dem Kritiker des BBC Music Magazins, hat das Stück gefallen: "Man könnte einwenden, dass es ein wenig an Originalität mangelt. Es gab da etliche Momente die an Bernstein erinnerten, an Schostakovich und Benjamin Britten, aber insgesamt war die Komposition gelungen. Ich fand, dass die beiden Sphären sehr schön aufeinander zuliefen, und wenn sie zusammentrafen, konnte man sie kaum noch unterscheiden, das war sehr clever ausgeführt.“

Um die Klanglandschaft herum komponiert

Der Avantgardekünstler David Monacchi, Komponist für Ökoakustik und Professor für elektroakustische Musik, war an diesem Abend auch dabei: "Das war ein sehr wichtiges Konzert, weil hier ein Komponist erstmals eine natürliche Klanglandschaft angenommen und um sie herum für das Orchester komponiert hat.“ Während andere aus Deutschland, England und den USA angereiste Freunde der Ökoakustikszene befanden, der orchestrale Klangkörper sei zu dominant gewesen, meinte Jeremy Pound aber, zwischen Musik und Natur bleibe immer eine Kluft, und Monacchi sagte: "Musik ist immer auch Sprache, und konkreter Klang ist eben Klang. Wir müssen weiterarbeiten, um diese beiden auf ein ähnliches Level zu bringen.“ Beim Dinner nach dem Konzert trennten sich Ökoakustiker und Musiker leider wieder in zwei verschiedene Levels, sprich Stockwerke des Restaurants. An den menschlichen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Kunst kann man wohl auch noch weiterarbeiten.

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