Wer ist da anständig?

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Er möchte die Mehrheit der Österreicher ins Lager der Anständigen bringen, pflegt der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, im Zusammenhang mit der Rückstellung enteigneten jüdischenVermögens zu sagen. Er sagte es auch bei einer großen Diskussion in der Postsparkasse in Wien in der vorigen Woche, und er hat es seither wiederholt.

Darüber wird jetzt wortreich lamentiert. Die Mehrheit der Österreicher sei doch anständig, und sie unanständig zu nennen, unanständig.

Dabei hat Muizcant ganz deutlich gesagt, worin er die Unanständigkeit seiner Landsleute sieht: Nämlich darin, daß eine Mehrheit nach wie vor nichts davon wissen will, daß den Juden jenes Eigentum zurückgegeben wird, das man ihnen widerrechtlich weggenommen hat.

Die Frage, ob anständig oder nicht, stellt sich allerdings gar nicht mehr, wenn - wie es Muzicant und 400 andere Teilnehmer der Diskussion in der PSK erleben konnten - eine etwa 40jährige Frau aufsteht und erklärt, die Juden sollten doch endlich Ruhe geben und nicht immer noch etwas verlangen, denn das erst wecke die "antisemitistischen" (!) Gefühle in den Österreichern.

Im übrigen sollten die Juden froh sein, daß sie "bei uns" leben dürfen. Außerdem seien die Juden so gescheit, daß sie ohnehin immer sehr erfolgreich seien und das gar nicht bräuchten, was sie jetzt beanspruchen.

Die Frage, ob anständig oder nicht, erübrigt sich auch angesichts der Tatsache, daß die Frau für ihre Ungeheuerlichkeiten auch noch Applaus bekam.

Freilich sind nicht alle so direkt und unverblümt und dumm wie die Frau in der Postsparkasse. Es gibt auch die feinere Form, die Verständnis vorgibt und den Juden rät, doch in der Öffentlichkeit nicht unkluge Äußerungen zu machen, oder überzogene Forderungen zu stellen, denn das würde nur den Antisemitismus schüren. Also sind letztlich die Juden selbst schuld.

Das ist der Antisemitismus, der sich als Wohlwollen tarnt.

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