Werbung als ästhetische Falle

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Manfred Erjautz, Otto-Mauer-Preisträger 1999, arbeitet mit Werbung, Marken und Logos.

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Manfred Erjautz, Otto-Mauer-Preisträger 1999, arbeitet mit Werbung, Marken und Logos.

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Wir treffen uns in seiner Wiener Galerie Grita Insam, sie zeigt derzeit unter anderem die "Shelter" ("Obdach") betitelte Arbeit: Eine weibliche Schaufensterfigur, die über und über mit größeren und kleineren Stoffaufnähern überzogen ist. Durch die verschiedenen Größen und Farben der Aufnäher, vor allem aber durch die Slogans und Symbole der Aufschriften und ihre Beziehungen zueinander entstehen im Betrachter starke Spannungen und neue Denkansätze. Der Schöpfer dieses Kunstwerkes ist Manfred Erjautz, Träger des Otto-Mauer-Preises 1999. Er meint, daß gerade die jüngere Generation für solche assoziativen Wahrnehmungen sensibilsiert sei. Die in einer ganz bestimmten Position erstarrte Schaufensterpuppe habe etwas Aggressives, gleichzeitig stehe sie aber auch für ein Rückzugsbedürfnis, eben hinter diese Haut. Während des Schaffensprozesses wählt der Künstler aus vielen hundert gesammelten Aufnähern die geeigneten aus, die Oberfläche wird zu einer "ästhetischen Falle" programmiert.

Manfred Erjautz wurde 1966 in Graz geboren, hat dort die Höhere Technische Bundeslehranstalt Graz-Ortwein in der Abteilung Bildhauerei besucht und dann von 1985 bis 1990 sein Diplomstudium an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Bruno Gironcoli absolviert. Als Preisträger des Casablanca-Wettbewerbes der Austria Tabakwerke entwickelte er schon 1991 künstlerische Arbeiten auf der Basis der Barcodes, jener Kassenaufkleber auf unseren Alltagsprodukten. Er hat aus ihnen lesbare Schriften und (betretbare) Skulpturen geschaffen.

Aus dem Jahr 1995 stammt die Arbeit "Container", ein sechs Meter langer Industriecontainer, ausgekleidet mit Reklameaufklebern. Betritt man ihn, ist kein Ausweichen möglich, Information ist überall präsent. Etwa 40.000 Aufkleber von Unternehmen, Ämtern, Organisationen hat Erjautz dafür gehortet, sie semantisch geordnet und bei deren Anordnung durchaus auch politisch agitiert. So erinnert die "Sparkasse Rostock" neben den "Grillanzündern" an die Brandlegung in einem Rostocker Asylantenheim.

Die "Raumgestaltung" in Form der Auskleidung eines Galerie-WC's mittels leerer Lebensmittel-, Alkoholika-, Zigarettenkartons oder die Installation einer 140-Flaschen-Bar im Windfang des Zwanzgerhaus-Museums, an der man tatsächlich einen kippen konnte, führen weit über den herkömmlichen Skulpturenbegriff hinaus.

In Los Angeles, Berlin, Ungarn und Rejkjavik hat Manfred Ejautz zuletzt ausgestellt und betont die Wichtigkeit internationaler Kontakte. "Man muß wissen, was die KollegInnen denken und produzieren, muß die eigene Position reflektieren, die eigenen Zielvorstellungen überprüfen".

In der Thermensiedlung Wien-Oberlaa hat der Künstler den Wettbewerb für die künstlerische Gestaltung gewonnen: Zwischen fünf Baublöcken ist ein Ensemble aus den eins zu eins nachgebauten Möblierungen einer Wohnung entstanden: Eine weiße Kika-Küche, ein Eßtisch, fünf Ikea-Sessel, zwei Wittmann-Fauteuils, ein Sony-Fernseher und ein rustikales Doppelbett aus Stahl hat er nachgebaut und entsprechend lackiert. "Möbel sind ja gleichzeitig Skulpturen. Natürlich haben die Bewohner gefragt, wer denn delogiert worden sei und sind befremdet über die im Freien stehenden Objekte. Aber die Kinder benützen und bewohnen sie. Diese Kunst im öffentlichen Raum ist keine Ausschmückung, keine Behübschung, sondern ein Aspekt gegenwärtiger bildender Kunst".

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