Werden wir "Palästina“ noch erleben?

Werbung
Werbung
Werbung

Ein wenig habe ich geschwankt, was diese Woche mein Thema sein sollte: der heimische Korruptionsfilz, der Papstbesuch in Deutschland oder das Ringen der Palästinenser vor der UNO samt Abfuhr durch Israel und die USA. Am Ende haben mich die vielen Erinnerungen überwältigt und dem Drama in Nahost den Vorrang gegeben.

Seit Jahrzehnten erlebe ich diesen Konflikt aus oft herzzerreißender Nähe mit: als Augenzeuge und Beobachter von Kriegen, (Staats-)Terror und Terrorismus, von unzähligen Vermittlungsversuchen, Konferenzen und einer Flut von Versprechungen, die meist schon tags darauf ohne Wert sind. Ganze Generationen sind entrechtet, vertrieben, getötet worden.

Vision mit Illusionscharakter

"Wir beide werden die Stunde noch erleben, wenn unser Palästinenserstaat Wirklichkeit wird“, hat mir PLO-Chef Arafat oft gesagt. Im Rückblick eine Vision mit starkem Illusionscharakter.

Ich sehe noch das nächtliche Strandhotel bei Algier, in dem die PLO im November 1988 jubelnd ihren Staat Palästina ausgerufen hat - bis heute ein Schattengebilde.

Und ich höre noch die kühnen Sätze, die Bruno Kreisky schon 1977 Israels damals regierender Arbeiterpartei entgegengerufen hat: dass es nicht Israels Sache sei, zu entscheiden, wer ihr Nachbar sei; nicht, wer diesen Nachbar politisch anführe - und auch nicht, ob dieser Nachbar finanziell lebensfähig sei. Um gleich hinzuzufügen: So wie es auch nicht Sache der Palästinenser sein dürfe, zu entscheiden, ob Israel ihr Nachbar sei; welche Führung dort amtiere - und ob denn Israel ohne Auslandshilfe lebensfähig sei …

Viel hat sich seit damals verändert. Da ist kaum noch ein Land, die USA und eine stille Mehrheit in Israel eingeschlossen, das den Palästinensern das grundsätzliche Recht auf einen Staat verweigert. Nicht immer aus Sympathie, sondern aus der Erkenntnis des Notwendigen - und aus dem Wissen, dass dieser Konflikt das Zeug in sich hat, die Welt in Brand zu setzen. Dass die Palästinenser jetzt endlich die Erfahrung der Freiheit und Selbstbestimmung erleben sollten, um vielleicht irgendwann, wenn die Wunden geschlossen sind, die Föderation mit Israel wagen zu können.

USA - mächtig und paralysiert

Trotzdem kann Israel mit US-Hilfe dieses Ziel immer wieder verhindern - obwohl es ja seine eigene Existenz einem UNO-Teilungsplan verdankt, der damals sowohl den Juden als auch den Arabern eine nationale Heimstätte zugebilligt hat. Kann Israel weiterhin auch die UNO ausbremsen, obwohl jeder Tag, jedes Gewaltopfer, jeder neue Siedler im besetzten Land, jede Beihilfe zur Spaltung der Palästinenser die Mühen des Friedens noch schwieriger macht?

Bestürzend empfinde ich aber auch die Uneinigkeit Europas. Es trägt letztlich die historische Verantwortung für diesen Konflikt, es ist Nachbar und von jeder Radikalisierung unmittelbar betroffen. Und doch ist sein Friedensbeitrag beschämend. So bleibt Amerika als ölhungriger Industriegigant und wichtigster Flugzeugträger israelischer Interessen der einzige Friedensvermittler - mächtig und paralysiert zugleich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung