Werther auf Luftmatratze

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Massenets Musikdrama wieder an der Wiener Staatsoper: hervorragende Stimmen auf obligater Einheitsbühne.

Wenn in Wien eine alte Inszenierung durch eine Neuproduktion ersetzt wird, sehnt sich ein Großteil des Publikums nach der alten Ausstattung zurück, so etwa in den letzten Jahren bei "Tristan" und "Parsifal". Nun, bei Massenets "Werther", ist man noch einmal davon gekommen, auch wenn sich die Begeisterung in Grenzen hielt.

Andrei Serban, 1993 mit Offenbachs "Hoffmann" erfolgreich, ließ sich von seinem Bühnenbildner Peter Pabst das heute übliche Einheitsbühnenbild mit einem riesigen Baum erstellen, der eindrucksvoll die wechselnden Jahreszeiten der Handlung suggeriert. Das geht gut bis zum dritten Bild, das in einem Zimmer spielen muss. Hier kombiniert er das urwaldartige Baumgewächs mit schauderhaften Möbeln aus den 1950er Jahren, nicht ohne den obligaten Fernsehapparat. Die dichte Atmosphäre dieser Szene wird dadurch grausam zerstört. Dass Werther zuletzt unter dem Baum auf einer Art Luftmatratze sterben muss, fällt da schon kaum mehr ins Gewicht; eher noch, dass der Ausstatter grelle, kitschige Kostüme entworfen hat, die um 1950 en vogue waren, jedoch vom Flair des Stückes meilenweit entfernt sind. In diesem Rahmen findet nun eine bestenfalls konventionelle Führung der Personen ohne die geringste psychologische Zeichnung statt, weshalb die Sänger ihre Charaktere fast ausschließlich mit der Kraft ihrer Persönlichkeit und den - vorweg gesagt hervorragenden - Stimmen darstellen müssen. Womit wir bei der musikalischen Seite angelangt wären.

Im Mittelpunkt steht Elina GaranÇca, die es trotz etwas läppischer Aufmachung als Filmstar vergangener Epochen versteht, Leid und Zwiespalt der Charlotte glaubhaft zu machen und ihrem prächtigen Mezzosopran alle Schattierungen von zarter Lyrik bis zu erstaunlicher Dramatik abgewinnt. Gleichwertig Marcelo Álvarez, der nach etwas zaghaftem Beginn alle Register seines technisch perfekten Tenors entfaltet und selbst in den dramatischen Ausbrüchen niemals das edle Timbre der Stimme verliert. Ovationen für beide.

Der undankbaren Rolle von Charlottes Ehemann Albert verleiht Adrian Eröd zumindest stimmliches Profil. Ileana Tonca gibt eine rollengemäß trällernde Sophie; unter den durch Striche stark reduzierten Nebenrollen fällt der verlässliche Alfred ÇSramek als Amtmann auf. Der in knalligen Badekostümen auftretende Kinderchor der Opernschule singt kräftig und präzise; dass der Amtmann an die 20 Kinder hat, lässt allerdings staunen.

Das mit Spannung erwartete Auftreten von Philippe Jordan am Dirigentenpult verlief zunächst enttäuschend. Zwei Akte lang wollte sich die Atmosphäre der tragédie lyrique nicht recht einstellen und das - allerdings durch eine gleichzeitige anspruchsvolle Konzertserie stark beanspruchte - Orchester schien nicht in bester Verfassung. Erst im dritten Akt zeigten sich der Dirigent und die Philharmoniker in der erwarteten Form. Dennoch schienen die schon zur Pause einsetzenden Missfallenskundgebungen nicht gerechtfertigt. Am Ende trafen die Buhrufe vor allem Regisseur und Ausstatter. Nicht ganz zu Unrecht.

Der Autor ist identisch mit dem Verfasser des Vorberichtes in der letzten Ausgabe der Furche, der irrtümlich als Christian Zöchling aufschien.

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