Wider die "weibliche Unterwerfung“

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Dem Kunsthaus Bregenz gelingt mit der Fokussierung auf das Archiv von VALIE EXPORT ein enzyklopädischer Blick auf ihr vielschichtiges Werk.

In der Ausstellung im Kunsthaus Bregenz sind 800 Objekte des Archivs von VALIE EXPORT im ersten Stock in Vitrinen auf Holzblöcken zu studieren. Weniger bekannte Arbeiten aus dem Bereich der konzeptionellen Fotografie finden sich hier genauso, wie die Vorstufen zu jenen drei Aktionen, die sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. So finden sich Dokumente zum "Tapp- und Tastkino“, bei dem die Künstlerin in einem vorhangbehängten Kasten vor der Brust Passanten den Griff auf ihre bloßen Brüste gestattete, währenddessen sie diesen in die Augen schaute. Auch Bilder jener im Schritt ausgeschnittenen Jeans sind zu sehen, die die Künstlerin, ihre Scham entblößend, mit einem Maschinengewehr in der Hand trug. Und es finden sich auch Schwarz-Weiß-Fotos jenes Spazierganges, den VALIE EXPORT in der Wiener Kärntnerstraße mit Peter Weibel als Hund an der Leine machte.

Tapp- und Tastkino als Nachbau

Während im ersten Stock viel historisches Material, das teilweise überhaupt das erste Mal öffentlich zu sehen ist, übersichtlich zu eingehendem Studium angeordnet ist, kommen im zweiten Stock die bekannten massenmedial transportierten "Endprodukte“ zur Ansicht. So ist etwa dort das tatsächliche Tapp- und Tastkino in einem von der Künstlerin autorisierten Nachbau zu sehen.

Im "Filmwald“ des dritten Stockes findet die Künstlerin tatsächlich zu sich selbst. "Alle reden über die Filme von VALIE EXPORT, aber niemand hat sie gesehen“, sagt Hauskurator Rudolf Sagmeister. Hier sind nun gleichzeitig 30 ihrer Filme zu sehen. In einem ausgeklügelten Gesamtkunstwerk sind auch alle möglichen filmischen Projektionstechniken seit den sechziger Jahren versammelt, von "Super 8“ über "16-mm-Streifen“ und DVD bis hin zu Monitoren. Die Kinofilme sind übrigens im örtlichen Metrokino zu sehen.

Die Revolutionen der sechziger Jahre sieht VALIE EXPORT in der "Occupy Wallstreet“-Bewegung wieder aufleben, wo "mehrere Menschentypen zusammen, ältere und jüngere Leute, Männer und Frauen, Angehörige unterschiedlicher Berufsklassen“ sich für eine gerechtere wirtschaftliche und politische Situation einsetzen, sagt sie im Gespräch mit der FURCHE.

Auch in der "nachkonstantinischen Epoche“ (Kardinal König), in der auch das katholische Christentum zu einer Entscheidungsreligion geworden ist, ist für VALIE EXPORT "die Abgrenzung zur Kirche genauso vorhanden wie in den sechziger Jahren“. Sie äußert sich fundamentalkritisch gegenüber der Kirche, denn diese habe "Methoden und Strukturen, die keine Selbstdarstellung oder Selbstbestimmung der Frau zulassen“. Und: "Ich glaube, dass die Religion oder die katholische Kirche Sachen sind, die insgesamt abgeschafft gehören, weil die Strukturen nicht mehr stimmen.“ Mit der Frage, ob sich die Frau im sakralen Raum ähnlich platzieren und sichtbar machen soll, wie in der Kunst, hält sie sich nicht lange auf, denn das liturgische Vokabular sieht sie nur unter dem Aspekt der Unterwerfung: "Diese ganzen religiösen Gesten sind eigentlich ein Kanon der weiblichen Unterwerfung.“

Kritik, nicht Befreiung

Ihre Arbeit damals und heute sieht sie keineswegs unter dem Aspekt der Befreiung, sondern unter dem der Kritik: "Ich musste mich nicht befreien davon, sondern es ist eine Kritik daran, eine Aufarbeitung, aber keine Befreiung. Ich bin aus der Kirche ausgetreten, aber natürlich ist die Religion ein Teil unserer Gesellschaft, und da setzt man sich natürlich kritisch auseinander.“

Das Kunsthaus Bregenz bietet in dieser Ausstellung die Möglichkeit, das Werk von VALIE EXPORT in seiner Vielschichtigkeit zu entdecken. Es gilt neben der kirchenkritischen Feministin eine avantgardistische Filmerin, eine konzeptuelle Fotografin und eine akribische Sammlerin von hochinteressanten Zeitdokumenten zu entdecken, deren Werk mehr ist, als ein historisch gewordener Schock für die österreichische Spielart des Milieukatholizismus der sechziger Jahre.

VALIE EXPORT Archiv

Kunsthaus Bregenz

bis 22. Jänner 2012, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr

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