Widerstand der Denkerin

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"Hannah Arendt“: Margarethe von Trotta nimmt sich der Denkerin und Theoretikerin der "Banalität des Bösen“ an. Ein Porträt, das auch vom Schauspiel Barbara Sukowas lebt.

Hannah Arendt (1906-75) umstritten wie diskursbildend, war eine der prägenden intellektuellen Gestalten des 20. Jahrhunderts. Der Denkerin - die Bezeichnung "Philosophin“ lehnte sie jedenfalls in ihrer zweiten Lebenshälfte ab -, hat sich nun eine filmische Spezialistin für exzeptionelle Frauengestalten, Margarethe von Trotta, angenommen. Nach den Ensslin-Schwestern ("Die bleierne Zeit“, 1981), Rosa Luxemburg (1986) oder zuletzt der Mystikerin Hildegard von Bingen ("Vision“, 2009) spielt Barabara Sukowa auch in diesem von Trotta-Film die Hauptrolle - und ist in einem Atemzug mit der Regisseurin zu nennen, denn enorm viel an der Authentizität des Films hängt an Sukowas Darstellung, die einfach kaum überbietbar scheint.

Gebrochen, eingeklemmt zwischen dem Entrinnen der Schoa und dennoch sich das Recht herausnehmend, in deren Bewertung gegen den Strich zu bürsten: So kann auch der Zugang des Films zu Hannah Arendt beschrieben werden.

Der Plot nimmt im Wesentlichen die kurze Zeitspanne zwischen der Fahrt Arendts 1961 zum Eichmann-Prozess nach Jerusalem, der daraus resultierenden Artikelserie im Intellektuellen-Magazin New Yorker, aus dem 1963 dann das Buch "Eichmann in Jerusalem“ wurde, und der geradezu orkanartigen Rezeption desselben in den Blick.

Die Kontroverse um Adolf Eichmann

Dass Adolf Eichmann nach Hannah Arendts Beobachtung nicht ein mordendes NS-Monster, sondern ein kleinstbürgerlicher Bürokrat, der an seinen Schreibtischtaten gar nichts fand, war, führte zu Arendts Theorie von der "Banalität des Bösen“. Schon damit legte sich die jüdische Denkerin mit den Meinungsbildnern des Judentums an, die ihre Diagnose, dass das Böse sich oft schrecklich einfach manifestiere, nichts anfangen konnten oder wollten. Als Arendt dann auch noch die Judenräte als Mitverantwortliche an den Schrecken der Schoa anprangerte, war es um ihre Reputation in ihrer Community endgültig geschehen. Freundschaften wie die zum Zionisten Kurt Blumenfeld (im Film dargestellt von Michael Degen) zerbrachen ebenso wie die wissenschaftliche Karriere der Arendt, die auf der Kippe stand.

Genau davon erzählt der Film, in wenigen Rückblenden wird die Vergangenheit erinnert - etwa die Liebesbeziehung zu Martin Heidegger, den Arendt für den größten Denker der Zeit hielt, obwohl dessen Abgleiten in den Nationalsozialismus und sein späteres Unvermögen, sich dafür zu erklären, den Graben zwischen beiden nie wieder gänzlich verschwinden ließ.

Der Film zeichnet ein konzises Bild der Hannah Arendt jener Jahre. Der Protagonistin standen damals ja auch bei weitem nicht alle Quellen zur Verfügung, die die Forschungen über Adolf Eichmann bis heute zutage gefördert haben. Vor allem das in der Zeitschrift Life abgedruckte Interview des holländischen Reporters Willem Sassen, das sehr wohl Eichmanns monströse und diabolische Züge offenbarte, wurde im Eichmann-Prozess nicht verwendet, weil Eichmann es konsequent für eine Verfälschung seiner Aussagen erklärte, auch Arendt nahm die Aussagen des Interviews nicht für bare Münze.

Erst Jahrzehnte später ließ sich verifizieren, dass das Interview mitnichten eine Fälschung war. Im Lichte davon wäre die Theorie von der Banalität des Bösen wohl anders ausgefallen.

Aber genau davon kann und darf der Film nicht sprechen. Er zeigt dementsprechend konsequent die unbeugsame Frau, die sich mit der halben Welt anlegt, weil sie von der Redlichkeit ihres Denkens überzeugt ist. Und es ist ein wahrhaft grandioses Schauspielerensemble, das dem allen Glaubwürdigkeit verleiht.

Noch mit der Vertrauten gesprochen

Neben der Sukowa ist der hierzulande vor allem als "Tatort“-Kommissar präsente Axel Milberg zu nennen, der einfühlsam Arendts zweiten Ehemann Heinrich Blücher spielt. Hervorragend auch die britische Schauspielerin Janet McTeer, der die Rolle der Bestseller-Autorin und Arendt-Vertrauten Mary McCarthy auf den Leib geschrieben wirkt.

Gleiches gilt für Julia Jentsch als Hannah Arendts Assistentin (und gute Fee) Lotte Köhler, die damals zu den wenigen Personen zählte, die der Arendt noch die Stange hielten. Schließlich überzeugt auch Ulrich Noethen als Darsteller des Philosophen-Kollegen Hans Jonas, der sich wie der Großteil seiner Zunft von der Arendt abwendet, weil er nicht versteht, warum sie so und nicht anders denkt.

Auf den ersten Blick mag es ein größeres Abenteuer gewesen sein, Hildegard von Bingen filmisch heutig zu machen. Hannah Arendt scheint da fast wie eine Vertraute aus einer erst kurz vergangenen Zeit zu sein. In Wirklichkeit ist es jedoch genau umgekehrt: Denn in ihrem vorletzten Film "Vision“ konnten Margarethe von Trotta und Barbara Sukowa reichlich fantasievoll das Leben im 12./!3. Jahrhundert imaginieren. Diesem Film gelang denn aber bestenfalls eine hübsche Annäherung an die große Mystikerin.

Bei Hannah Arendt ist das völlig anders, nicht zuletzt deswegen, weil die Zeitzeugin Lotte Köhler, die den Nachlass ihrer einstigen Arbeitgeberin, die ihr zur Freundin geworden war, betreute, bei den recherchen noch greifbar war. Margarethe von Trotta hat Köhler noch getroffen, und sie habe ihr einiges Private von Hanna Arendt erzählt, berichtet die Regisseurin. 2011 ist Lotte Köhler 92-jährig in New verstorben. Sie konnte "Hannah Arendt“, diesen eindrücklichen Film, also nicht mehr sehen.

Hannah Arendt - Ihr Denken veränderte die Welt

D/L/USA/IL 2012. Regie: Margarethe von Trotta. Mit Barbara Sukowa, Axel Milberg. Filmladen. 113 Min. Ab 22.2.

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