Wie ein Flüchtling

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Im "Hotel Europa" werden aus den Zuschauern Migranten.

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Im "Hotel Europa" werden aus den Zuschauern Migranten.

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Von Familie und Freunden getrennt, in überfüllten Räumen zusammengepfercht, einer undurchschaubaren Bürokratie ausgeliefert: So ergeht es vielen Menschen, die es in das gelobte Land der Europäischen Union zieht, die aber anstatt einem besseren Leben nur das Asylantenheim oder die Schubhaft kennenlernen. Ein bisschen so fühlt sich auch das Publikum der Wiener Festwochen-Produktion "Hotel Europa", die durch die labyrinthischen Gänge des heruntergekommenen "Kabelwerks" irgendwo in Wien-Meidling geschleust wird. Willkürlich in Gruppen eingeteilt werden sie unter anderem von einem polternden Hausmeister aus Kärnten ("Arbeit wollen Sie?! Sozialversicherung wollen Sie?!") in verschiedene Zimmer des trostlosen Hotels geführt, wo sich Figuren des mazedonischen Dramatikers Goran Stefanovski eingemietet haben - Menschen aus dem anderen Europa, das nicht zur EU gehört.

Die insgesamt sieben Dramolette werden von Gruppen aus Osteuropa (Lettland, Slowenien, Litauen, Mazedonien, Polen, Russland, Bulgarien) interpretiert. Stark ist der russische Beitrag, in dem westliche Voyeure, nämlich das Publikum, der Hochzeitsnacht eines russischen Paares beiwohnen, deren sehnlichster Wunsch es ist, ein "Western Baby" zu zeugen, die aber stattdessen unter dem Bett einen Koffer mit Geld und einem menschlichen Herz finden. Auch der bulgarische Beitrag, der sich mit der zwiespältigen Psychologie eines Ost-"Geschäftsmannes" (sprich: Mafioso) auseinandersetzt, scheint trotz dramatischer Überspitzung wie aus dem Leben gegriffen.

Die einzelnen Szenen verblassen jedoch gegenüber dem Gesamtkonzept, das auch von Stefanovski stammt. Wann kommt man als EU-Bürger schon in die unangenehme Situation, wie ein unerwünschter Ausländer behandelt zu werden?

Ein intensives Theatererlebnis. Beklemmend. Genial.

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