Wie ein Rembrandt nach Polen kam

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Das Los der nun in Warschau und Krakau zugänglichen Kunstsammlung Lanckoron'ski spiegelt den Lauf der jüngeren europäischen Geschichte.

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Das Los der nun in Warschau und Krakau zugänglichen Kunstsammlung Lanckoron'ski spiegelt den Lauf der jüngeren europäischen Geschichte.

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Zum 100. Geburtstag der letzten lebenden Vertreterin eines großen Adelsgeschlechtes, Karolina von Brzezie Lanckoron'ska, wurde in Polen die Galerie Lanckoron'ski eröffnet. Ein kleiner, übriggebliebener Teil einer der berühmtesten privaten Kollektionen - der Gemälde- und Kunstsammlung Karl Lanckoron'skis - schmückt seit kurzem als Schenkung der greisen Donatorin an den freien polnischen Staat zwei ehemalige königliche Sitze Polens, das Königliche Schloß in Warschau und Schloß Wawel in Krakau.

Das Schicksal der Sammlung Lanckoron'ski - über 400 Gemälde, die im familieneigenen, neobarocken, 1902 erbauten Palais in der Jacquingasse untergebracht und bis 1939 öffentlich zugänglich waren - ist auf eine besondere Art und Weise mit dem Schicksal Europas verbunden. Sie verdankt ihr Entstehen zwei polnischen Aristokratenfamilien - Rzewuski und Lanckoron'ski.

Die Kunstsammlung geht auf echt königliche Anfänge zurück. Kazimierz Rzewuski, ein passionierter Kunstsammler, erwarb 1815 einen Teil der Gemäldesammlung aus der ehemaligen Königlichen Galerie des letzten polnischen Königs, Stanislaw August Poniatowski, und brachte sie nach Wien. Durch die Heirat seiner Tochter mit einem Lanckoron'ski sind die Bilder in den Besitz dieser Familie gekommen. Heute, nach über 200 Jahren, kehrten 18 Bilder aus Stanislaw Augusts Sammlung auf das königliche Schloß in Warschau zurück, darunter zwei berühmte Porträts Rembrandts - "Der alte Mann mit Buch" und "Das Mädchen mit Hut", 1641 datiert.

Beide Bilder erwarb König Stanislaw August 1777 in Berlin beim Ausverkauf der Sammlung des Grafen Kamecke. Ein Großteil der in Warschau ausgestellten Bilder stammt von holländischen und flämischen Meistern des 17. und 18. Jahrhunderts, wie Davis Teniers, Philip Wouwerman, Federik de Moucheron oder Adriaen van Ostade. Ein besonderes "Zuckerl" stellt dabei ein ausgezeichnetes Porträt von Antoine de Bourbon dar, gemalt von Corneille de Lyon, einem niederländischen, um die Hälfte des 16. Jahrhunderts am königlichen Hofe in Frankreich tätigen Malers.

Karl Lanckoron'ski, Urenkel Kazimierz Rzewuskis, hatte sich wieder als großer Kunstsammler und großzügiger Mäzen erwiesen. Der Freund von Künstlern wie Hans Makart oder Jacek Malczewski finanzierte dank seiner umfangreichen Latifundien in Galizien kostspielige archäologische Expeditionen, an denen er auch persönlich teilnahm. Die von ihm herausgegebene Dokumentation "Die Städte Pamphyliens und Pisidiens" ist bis heute ein Klassiker innerhalb der österreichischen Archäologie Vorderasiens geblieben.

Karl Lanckoron'ski, als Oberkämmerer des Kaisers einer der höchsten Würdenträger am Hof, war auch Vorreiter des modernen Denkmalschutzes. Ihm verdanken die Wiener, daß das romanische Hauptportal des Stephansdoms nicht, wie geplant, entfernt wurde. Er initiierte auch die Restaurierung des Schlosses Wawel in Krakau und rettete die frühchristliche Basilika in Aquileia. Neben seiner Sammelpassion für die antike und orientalische Kunst, interessierte sich Lanckoron'ski besonders stark für die italienische Malerei. Nach dem Ausbruch des Krieges 1939 wurde die Sammlung des Ritters des Ordens vom Goldenen Vlies beschlagnahmt. Sie sollte die Hitler-Kunstkollektion bereichern. Ende des Krieges wurden die Gemälde im Salzbergwerk Altaussee gefunden.

Das Palais Lanckoron'ski in Wien war zerbombt. Die Sammlung wurde nach Schloß Hohenems verlegt, wo ein Brand über 100 Bilder zerstörte. Der gerettete Teil der Sammlung wurde in die Schweiz ausgeführt, wo die Gemälde fast 50 Jahre lang in einer Zürcher Bank lagerten. Ein Bild von Dosso Dossi blieb, neben vier attischen Vasen und einer Gemme, im Kunsthistorischen Museum in Wien als erzwungene "Schenkung" zurück.

Jetzt bereichern 78 Gemälde italienischer Schule vom 14. bis 16. Jahrhundert das Schloß Wawel: darunter einfache Werke aus den Schulen von Florenz und Siena mit vielen Darstellungen der Madonna mit Kind, unter anderem von Bernardo Daddi, Jacobello del Fiore, Rosella die Jacopo Franchi. Hervorzuheben sind auch ausgezeichnete Bilder von Lippo Memmi (Engel) oder Andrea di Bartolo (St. Augustin).

Die Frührenaissancemalerei repräsentieren Werke aus dem Kreis von Filippo Lippi und Luca Signorelli, aber auch Bilder von Jacopo di Selaio und Piero di Cosimo. Eine Besonderheit von Bedeutung bildet die Gruppe von elf "cassoni". Diese Truhenbilder des italienischen Quattrocento zeigen unter anderem Szenen aus der "Odyssee".

Nach einer langen, jener des Odysseus fast vergleichbaren, Irrfahrt durch Europa haben nun die Bilder aus der Sammlung Karl Lanckoron'ski in Warschau und Krakau wieder einen Hafen gefunden.

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