Wie es mit der Moderne in Salzburg begann

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Vier Jahre war Markus Hinterhäuser Konzertdirektor der Salzburger Festspiele, beeindruckte bei seiner Programmierung nicht zuletzt durch seine jeweils verschiedenen Komponisten gewidmeten Kontinente. Jetzt, im fünften Jahr, in dem er gleichzeitig einen Sommer lang als Intendant die Geschicke des Festivals an der Salzach verantwortet, hat er einen fünften Kontinent konzipiert, eine Art Zusammenschau der bisher unter diesem Titel firmierenden Aktivitäten.

Folgerichtig trifft man auf Scelsi, Stockhausen, Cage, Georg Friedrich Haas, Grisey, Feldman, Claude Vivier, Sasha Waltz und Sciarrinos "Macbeth“. Begonnen wurde die bis Mitte August dauernde achtteilige Reihe mit jenem Werk, mit dem Hinterhäuser bei den Festspielen debütierte: Luigi Nonos "Prometeo“. Zusammen mit Tomas Zierhofer-Kin hatte er die Idee, dieses Stück, heute ein Klassiker der jüngeren Moderne, in der Salzburger Kollegienkirche aufzuführen. Prompt entwickelte sich daraus die zeitgenössische Festspielschiene "Zeitfluss“, ein wesentlicher Grund für die heutige Offenheit der Festspiele gegenüber neueren Entwicklungen.

Auch diesmal bot die Kollegienkirche den Schauplatz für die "Prometeo“-Aufführung. Mit dabei wie schon damals als Hauptdirigent Ingo Metzmacher und als Klangregisseur André Richard, wohl der weltweit beste akustische Kenner dieser Mitte der 1980er Jahre in Venedig in der Kirche San Lorenzo durch Claudio Abbado uraufgeführten "Tragödie des Hörens“, wie der Komponist sein ausschließlich auf Klänge konzentriertes Musiktheater bezeichnenderweise nannte.

Miteinander von Raum und Klang

Denn hier heißt es umdenken, auf tradierte Hörgewohnheiten vergessen, offen sein für neuartige Klänge, sich auf das jeweils spezifische Miteinander von Raum und Klang zu konzentrieren. Entsprechend unkonventionell und groß die auf mehreren Podien und in den Altarräumen platzierte Besetzung: in diesem Fall hervorragende Solisten, die Schola Heidelberg, das Ensemble Modern, das Experimentalstudio Freiburg des SWR, Matilda Hofman als zweite Dirigentin. Interpreten, die dieses Gebilde aus Klang und verschiedenen Werken entlehnten Textfetzen, die man wenigstens grundsätzlich kennen sollte, um die daraus entwickelte Klanglichkeit zu verstehen, wenigstens zu erfühlen, mit Perfektion und nie erlahmender Ambition umsetzten.

Da saß jede Nuance, agierten die von verschiedenen Podesten musizierenden Sänger und Instrumentalisten mit nachgerade schlafwandlerischer Sicherheit, zwangen die vollzählig erschienenen Hörer zu einer sonst kaum je erlebbaren Stille. Und das bei pausenlosen zweieinhalb Stunden. Für Markus Hinterhäuser muss es zudem ein besonderer Moment gewesen sein. Denn so augenfällig lässt sich selten ernten, was man gesät hat. Wie immer man später über ihn bilanzieren wird: Seit ihm ist die Moderne in Salzburg Selbstverständlichkeit.

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