Wie Hitler seine Helfer bestach

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37 Millionen Schilling nach heutigem Wert waren für einen Naziminister ein standesgemäßes Geschenk zum runden Geburtstag.

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37 Millionen Schilling nach heutigem Wert waren für einen Naziminister ein standesgemäßes Geschenk zum runden Geburtstag.

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Der SS-Gruppenführer Julius Schaub, Hitlers Adjutant, übergibt dem Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge ein persönliches Schreiben des "Führers" und einen Scheck über 250.000 Reichsmark. Das Geld war keineswegs für die Reichspost bestimmt, sondern ein persönliches Geschenk zum 70. Geburtstag des Ministers. Das Bild Schaubs und des respektvoll das Schreiben betrachtenden Ohnesorge erschien in der Wochenzeitschrift der deutschen Post vom 20. Juni 1942. Vom Scheck war dort nicht die Rede, obwohl es sich um keine niedrige Bestechung, sondern um eine offizielle "Dotation des Führers" handelte.

Der Monatslohn eines Facharbeiters betrug netto rund 100 Reichsmark. 105,10 Mark plus 35 Mark Überstundenentgelt ab einer Arbeitszeit von mehr als 300 Stunden im Monat verblieben einer ledigen 25-jährigen KZ-Aufseherin. Selbst wenn wir den heutigen Facharbeiterlohn nur mit dem 150-fachen, also 15.000 Schilling, ansetzen würden, entspräche das Geschenk für den Minister rund 37 Millionen. Es war aber eine gängige "Führergabe" für einen verdienten General, Minister oder Parteifunktionär. Hitler beschenkte, besser: bestach, Hunderte, wenn nicht Tausende - oft auf das Großzügigste.

Unglaublich, daß es das noch gibt: Ein neuer Gesichtspunkt, unter dem die NS-Zeit noch nicht ausführlich beschrieben wurde. Den Autoren Gerd R. Ueberschär und Winfried Vogel ist es gelungen, ein solches Thema zu finden: Hitlers Geschenke an Generäle, Minister, Maler, Architekten, Schriftsteller, aber auch einfache "Volksgenossen", die er auszeichnen wollte. "Dienen und Verdienen - Hitlers Geschenke an seine Eliten" heißt das Buch.

Hitler selbst sah seine Großzügigkeit zynisch. Er habe das bewußt und mit Absicht getan, erklärte er seinem Adjutanten Engel, nachdem er am 22. Juli 1940 gleich zwölf Generäle zu Feldmarschällen ernannt hatte, und er "habe auch dabei aus der Geschichte gelernt. Schon im Altertum haben Könige und Cäsaren denjenigen, die für sie etwas besonderes geleistet hatten, große Geschenke gemacht, und auch die preußischen Könige seien in dieser Hinsicht sehr großzügig gewesen. Das sei eine ganz kluge Sache gewesen, denn je mehr man eine Heldentat und Leistung honoriere, um so mehr verpflichte man sich den Betreffenden und binde ihn, ganz unabhängig von dessen Einstellung, doch an dessen Eid und verpflichte ihn demjenigen gegenüber, dem er diese Ehrung zu verdanken habe."

Wobei die kleinen Geschenke selbstverständlich nicht ins Gewicht fallen. Ein Dutzend Meißener Mokkatassen für die Frau des Luftwaffenadjutanten Nicolaus von Below und eine goldene Uhr mit Hitlers Namenszug für ihn selbst zu Weihnachten 1937 waren eher ein Klacks, eine kleine Aufmerksamkeit. Selbst die zum Teil sogar geländegängigen Mercedes-Limousinen für König Faruk von Ägypten, Spaniens General Franco und den chinesischen Marschall Tschiang Kai-schek mögen noch in die Kategorie der kleineren und größeren Aufmerksamkeiten fallen.

Hitler wußte aber, daß es bei der Korrumpierung der Generäle und sonstiger Prominenz mit klingenden Titeln, Orden und kleinen Aufmerksamkeiten nicht getan war. 2.000 Reichsmark Prämie für die Beförderung zum Generaloberst und 4.000 Reichsmark (3,3 Facharbeiter-Netto-Jahreslöhne) für einen frischgebackenen Feldmarschall waren schon besser.

Er verlange von einem General nicht, daß er Nationalsozialist sei, meinte Hitler, "aber er verlange von einem General und Offizier, daß er sich politisch völlig der Staatsführung unterordne und blindlings die Befehle ausführe, die die politische Führung von ihm verlange. Das würde jedem leichterfallen, auch gegen innere Überzeugung, wenn er entsprechende Ehrungen durch den Staatsführer erhalten habe". Es ging Hitler darum, sich vor allem die Generalität, auf die er angewiesen war, zu kaufen, aber ebenso auch die Minister und die Kulturschaffenden. Er betrieb bewußt und mit gigantischen Summen, so Ueberschär und Vogel, "die Korrumpierung seiner Elite". Dabei griff er in die Vollen und verschenkte auf Staatskosten Landgüter, Herrenhäuser und gleichwertige Geldbeträge.

Die Korrumpierung der Generalität wurde bereits vor dem Krieg meisterhaft eingefädelt. 1927 bot eine in finanzielle Schwierigkeiten geratene Schwägerin des ehemaligen Feldmarschalls und nunmehrigen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg das Familiengut Neudeck in Ostpreußen zum Kauf an. Elard von Oldenburg-Januschau, ein adeliger Nachbar und Freund, initiierte einen Spendenaufruf, durch den die Million Reichsmark zusammenkam, mit der das Gut gekauft und dem Reichspräsidenten zu seinem 80. Geburtstag am 2. Oktober 1927 übereignet werden konnte. Schon Reichskanzler Bismarck war einst auf ähnliche Weise geholfen worden. Die Stadt Hannover hatte Hindenburg übrigens bereits im September 1918, also noch vor Ende des Ersten Weltkrieges, eine Villa im Wert von 350.000 Goldmark geschenkt. Der Staat selbst widmete Hindenburg zu seinem 80. Geburtstag "nur" die für 40.000 Reichsmark angefertigte Replik eines 500-teiligen Tafelservices, das die Berliner Porzellanmanufaktur einst für Friedrich den Großen hergestellt hatte.

Kurz vor Hitlers Machtergreifung, die eher als Machterschleichung bezeichnet werden sollte, geriet Elard von Oldenburg-Januschau in den Strudel eines Skandals. Er hatte staatliche Hilfsgelder für die Sanierung seiner drei Güter zum Ankauf eines vierten verwendet, andere Junker hatten mit dem für die Rettung ihrer angeblich bedrohten Familiengüter bestimmten Geld Rennpferde gekauft. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch Hindenburg am 30. Jänner 1933 (ohne Wahlen) hatte den kleinen Nebeneffekt, daß der Untersuchungsausschuß des Reichtages, der auch Oldenburg-Januschau sehr unangenehm zu werden drohte, hinfällig wurde. Wenige Monate später kam es zur Nazi-Dotation an Hindenburg. Der Reichspräsident wurde per Reichsgesetz von allen Steuern befreit. Für die Einsparung der Erbschaftssteuer hatte er durch sofortige Überschreibung des geschenkten Gutes auf seinen Sohn ohnehin längst vorgesorgt, sehr zum Schaden seines Rufs. Nun vergrößerte die preußische Staatsregierung durch eine Schenkung von Grund Hindenburgs Gut Neudeck von 811 auf 1351 Hektar. Leider handelte es sich bei der "Gabe des deutschen Volkes" um die abgewirtschaftete staatliche Domäne Langenau. Die Reichsregierung zeigte daher volles Verständnis für den Wunsch des Reichspräsidenten, sie möge auch für die Sanierungskosten aufkommen, und schenkte ihm auch noch eine Million Mark dazu.

Nun gab es aber auch noch den alten Generalfeldmarschall August von Mackensen, den "Doyen des deutschen Offizierskorps", mit dem die Nazis einen besonderen Kult betrieben. Nach Hindenburgs Tod am 2. August 1934 war er sogar der letzte lebende deutsche Generalfeldmarschall. Mackensen, ein weiterer "Retter des Vaterlandes" im Ersten Weltkrieg, dachte derart erzmilitaristisch, daß ihn die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten zutiefst verstörte: Es sei für Hindenburg unzumutbar, nun plötzlich in Zivilkleidung die Front der angetretenen Truppe abzuschreiten! Mackensen war 1899 von Kaiser Wilhelm geadelt worden, hatte aber kein wirklich standesgemäßes Rittergut. Anläßlich seines bevorstehenden 86. Geburtstages am 6. Dezember 1935 stellte daher der Preußische Staat die Staatsdomäne Brüssow im Kreis Prenzlau mit über eintausend Hektar Grund dem "Führer" zur Verfügung, auf daß er sie nach großzügigem Umbau dem "ruhmvollen Heerführer" schenken könne.

Ganz zufällig erfuhr Mackensen von der bevorstehenden Dotation just zu dem Zeitpunkt, als er nolens volens gezwungen war, seine Meinung zu dem während des "Röhm-Putsches" von den Nazis an Reichskanzler a.D. General Kurt von Schleicher, dessen Frau sowie an General von Bredow begangenen Mord abzugeben. Viele Generalstabsoffiziere forderten die Rehabilitierung der Toten. Mackensen begnügte sich mit der Erklärung, die Kameraden seien "ohne Verletzung ihrer Ehre auf dem Schlachtfeld gefallen, auf das ihr Geschick sie geführt hat". Nach dem deutschen Überfall auf Polen und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wendete sich Generaloberst a.D. Ludwig Beck an Mackensen, er möge doch beim Oberbefehlshaber Generaloberst von Brauchitsch wegen der von der deutschen Wehrmacht in Polen begangenen Morde vorstellig werden. Der streng monarchistische Mackensen, der kein Freund der Nazis war und den Hitlergruß stets mit "Guten Tag!" beantwortete, soll sich dieser Aufgabe wohlweislich äußerst zurückhaltend entledigt haben, seine Kritik führte denn auch "nicht zur Abstellung der Mordaktionen".

Die Schenkungen an Hindenburg und Mackensen erfolgten nicht verstohlen, sondern völlig offen und mit großer propagandistischer Begleitmusik. Die Botschaft wurde sofort verstanden. Der Reichspräsident und der Doyen des deutschen Offizierskorps konnten die Annahme von Millionengeschenken also mit ihrer Ehre vereinbaren. Warum dann nicht auch ich, du, wir?

Worauf ein Wettrennen um Dotationen einsetzte, das von Jahr zu Jahr ärger wurde. Richtlinien gab es nicht. Die Clique um Hitler, die Beziehungen zu ihr spielten eine Schlüsselrolle.

Auch in seiner engsten Umgebung zeigte sich Hitler großzügig. Gerda Daranowski, eine seiner Sekretärinnen, bekam anläßlich ihrer Hochzeit mit einem Oberstleutnant des Wehrmachtführungsstabes im November 1942 10.000 Reichsmark, von Albert Speer wurde ihr außerdem "eine Wohnung aus den Beständen der Judenwohnungen in Berlin zugewiesen". Auch die Renovierung wurde ihr bezahlt. Der Rechnungsführer der Reichskanzlei mokierte sich über die Abrechnung, in der sogar die Pfennigbeträge für Glühbirnen als "Instandsetzungskosten" aufschienen.

Je wichtiger der Empfänger, desto größer die Summen. Für Minister und Heerführer waren 250.000 Mark fast schon Norm. Als Hitler in der Zeitung die Geschichte einer besonders kinderreichen sudetendeutschen Familie las, ließ er jedem Kind ein Sparbuch über 500 Reichsmark ausstellen, ein Unteroffizier, der beide Beine verloren hatte und für den sich Adjutant Engel verwendete, bekam 12.000 Mark. Dem Monumentalbildhauer Arno Breker, der 1941 ein Einkommen von 900.000 Mark erzielte, verschaffte sein Freund Speer eine geschenkte Liegenschaft, für die aus staatlichen Mitteln über 500.000 Mark ausgegeben wurden. Als Breker seine Steuer nicht zahlen konnte oder wollte, intervenierte Speer wiederum für ihn und Hitler gewährte ihm eine weitere Dotation von 250.000 Mark.

Die Liste der Geschenkempfänger ist so lang, daß das Fehlen des Namens Joseph Goebbels geradezu auffällt. Der Reichspropagandaminister, meinen die Autoren, sei darauf nicht angewiesen gewesen, er habe - ebenso wie Hermann Göring - genügend eigene Möglichkeiten gehabt, sich zu bereichern. Ein Ministergehalt betrug 1.700 bis 1.800 Mark im Monat. Goebbels bezog allein für seine wöchentlichen Leitartikel in der Zeitschrift "Das Reich" zusätzlich 200.000 Mark pro Jahr. Der Reichsmarschall, Reichsjägermeister und Reichsmeister im Bereichern Göring langte aber auch bei den "Führergeschenken" zu. Als sich Martin Bormann im März 1943 um Verbündete gegen seine Rivalen Speer, Goebbels, Ley und Funk bemühte, verschaffte er Göring sechs Millionen aus den Kassen der jährlichen "Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft", die jeweils zweistellige Millionenbeträge einbrachte und Hitler zur freien Verfügung stand.

Auch der "Führer" selbst wußte zuzulangen. Er war nicht nur als Reichskanzler, Reichspräsident und dank den Tantiemen für "Mein Kampf" und für seine Reden Einkommensmillionär. Im Gegensatz zu Hindenburg kassierte er auch für sein Konterfei auf den deutschen Briefmarken Tantiemen, für die Minister Ohnesorge jeweils zu Hitlers Geburtstag einen Scheck überreichte. Albert Speer und Hitlers Leibfotograf Hoffmann bezeugen, daß es einmal über 50 Millionen Reichsmark waren, mit denen Hitler "unbeschwert und haushaltsrechtlich völlig unkontrolliert seine Kunsttransaktionen und Bilderkäufe tätigen" konnte.

Noch Anfang Dezember 1944, als im Osten die Sowjets und im Westen die Amerikaner schon auf deutschem Boden standen, erörterten Hitler und Goebbels in einer fast sechsstündigen Unterredeung Pläne, das nationalsozialistische Regime durch Dotationen in alle Ewigkeit zu festigen. Ein neuer NS-Adel sollte den alten Adel ablösen. Goebbels fand das Gespräch ausgesprochen "richtungweisend" und "beruhigend". Ein bemerkenswerter Grad von Wirklichkeitsverlust.

Die Beschenkten, die wenige Jahre vorher über ein Gut im Osten in Begeisterung geraten waren, zeigten längst einen starken Trend nach Westen. Lieber ein kleines, aber feines, sprich: frontfernes Gütchen im Herzen des Reiches als ein kleines Königreich, das morgen schon in der Reichweite der russischen Geschütze sein konnte.

Das Bild "Drei Mönche mit einem Jäger" von Eduard Grützner im Wert von 95.000 Mark zum 60. Geburtstag des Generalfeldmarschalls Hugo Sperrle am 6. Februar 1945 war das letzte in den Akten der Reichskanzlei aufscheinende Geschenk Adolf Hitlers an seine Heerführer. Ueberschär und Vogel vermuten wohl zurecht, daß viele mit Hitlers Geldgeschenken erworbene Realitäten, Kunstwerke und so fort noch im Besitz der Familien sind. Sofern die Beschenkten bei ihren Anschaffungen auf die Vermittlung der Reichskanzlei verzichteten, schienen sie nach dem Krieg auch nicht in deren Akten auf. Die Liste jener, die in Frage kommen, ist lang, sehr lang.

Übrigens litt auch Österreichs Bundespräsident Wilhelm Miklas in der Nazizeit keine Not, nachdem er sich für verhindert erklärt und der Anschluß-Bundeskanzler Seyß-Inquart seine Vertretung übernommen hatte. Hitler verfügte, daß dem österreichischen Altbundespräsidenten folgende Vergünstigungen zu gewähren waren: Die vollen Bezüge als Bundespräsident in der Höhe von 55.700 Schilling jährlich steuerfrei, seine Dienstwohnung zu den bisherigen Bedingungen mit freier Beheizung und Beleuchtung, Entlohnung des Portiers und Übernahme aller öffentlichen Abgaben durch das Reich, Bereitstellung eines Dienstwagens mit Fahrer nach freier Wahl, Belassung der Freikarte für die Bahnen, Bereitstellung einer Ehrenwache, eine unentgeltliche Loge abwechselnd im Burgtheater und in der Oper sowie die Hälfte seiner Bezüge für die Witwe im Falle seines Todes.

Dienen und Verdienen - Hitlers Geschenke an seine Eliten.

Von Gerd R. Ueberschär und Winfried Vogel S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1999 302 Seiten, geb., Fotos, öS 277,-/e 20,13

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