Wie Hollywood dem Christkind Weihnachten stahl

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"Der Grinch", in den USA seit Wochen Kinofavorit, zeigt unfreiwillig auf, was Weihnachten in der Konsumgesellschaft bedeutet: Geschenke und Fressalien.

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"Der Grinch", in den USA seit Wochen Kinofavorit, zeigt unfreiwillig auf, was Weihnachten in der Konsumgesellschaft bedeutet: Geschenke und Fressalien.

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Was Hollywood zu Weihnachten einfällt, lässt sogar den Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus wie eine besinnliche Alternativveranstaltung aussehen. Als haariges Schmunzelmonster "Grinch" treibt Jim Carrey - in einer Maske aus grünem Ganzkörpersynthetikfell mit gelbgrünen Kontaktlinsen zur Unkenntlichkeit verkleidet - sein Unwesen. Dabei ist der Außenseiter mit seinem viel zu kleinen Herzen noch das beste am Film.

Die auf einem beliebten amerikanischen Kinderbuch basierende Handlung ist simpel: die Bewohner des kleinen Städtchens Whoville, alle mit zierlichen Stupsnasen und langen Wimpern verunstaltete Zuckerglasurwesen bereiten sich alljährlich immer opulenter auf Weihnachten vor. Sie leben im Herzen von "White Christmas", einer Schneeflocke, in der sich alles um das Fest dreht. Das heißt in Amerika: Pudding, Kekse, Truthahn, Geschenke, Geschenke und nochmals Geschenke. Klingende Kassen und eine allseits zur Schau getragene fröhliche Geschäftigkeit, verbittert ausgetragene Konkurrenz um die meisten Lichter auf der putzigen Hausfassade und Unmengen an Weihnachtspost.

In Whoville gibt es nur ein Sakrileg: nicht beim allgemeinen Festrausch mitzumachen. Der Grinch mit seinem so markant anderen Äußeren, der sich von Müll ernährt und in einer Höhle lebt, verachtet Weihnachten ebenso, wie alle anderen es verehren. Er will es ihnen verderben, verkleidet sich als Santa und räumt den Whos ihre Festbeleuchtungen, Kühlschränke, Wohnungen, Christbäume und opulenten Bescherungsberge stilecht durch den Rauchfang hindurch ab.

Eine Weihnachtsgeschichte braucht, wenn schon kein Christkind, wenigstens eine Moral. Die kleine, vorurteilslose Cindy Lou Who sucht den Giftbrocken auf seinem Berg auf und wünscht ihm trotz des Geschenkraubs mit zirpender Kinderstimme und süßlichem Augenaufschlag "a merry Christmas". Das zu kleine Herz des verletzten Grinch, dem die Bewohner von Whoville in seiner Volksschulzeit ein Weihnachtstrauma zugefügt haben und der deshalb so "böse" ist, beginnt wieder zu schlagen. Vollkommen unglaubwürdig singen und tanzen die Bewohner von Whoville inzwischen konsumlos harmonisch miteinander im Kreis. Wirkliche Freude kommt erst auf, als der bekehrte Grinch den Geschenk- und Fressalienberg retourniert.

Das Wort "Christmas" dominiert akustisch diesen Film, das Jesuskind, Josef und Maria sind nicht einmal mehr als Requisit unter dem vielen Lichterbäumen zu finden. Die Moral der Geschichte schmilzt so schnell wie eine Schneeflocke.

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