Wie man Neugierde und Lust entfacht

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Als Fest erweist sich auch die 34. Ausgabe des internationalen ImPulsTanz-Festivals in Wien. Dazu trägt nicht zuletzt der aus Antwerpen stammende Maler, Bildhauer, Choreograf und Autor Jan Fabre bei, dem heuer ein Schwerpunkt gewidmet ist.

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Als Fest erweist sich auch die 34. Ausgabe des internationalen ImPulsTanz-Festivals in Wien. Dazu trägt nicht zuletzt der aus Antwerpen stammende Maler, Bildhauer, Choreograf und Autor Jan Fabre bei, dem heuer ein Schwerpunkt gewidmet ist.

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Es ist Verlass auf das ImPuls-Tanz-Festival und man kann von ihm lernen. Ersteres ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Das andere in Wien beheimatete, traditionsreiche Festival, die Wiener Festwochen, wollte heuer unter der neuen Intendanz von Tomas Zierhofer-Kin laut ihrer Homepage "temporäre Ground Zeros" schaffen. Einen ganz anderen 'Bodennullpunkt' erreichten sie dabei wirklich: Statt neuer Solidargemeinschaften, die sich durch kulturen- und spartenübergreifende Kunst für die Zukunft einstellen sollten, hat die Festwochenausgabe 2017 vor allem für Langeweile und Vertreibung angestammter Festwochenbesucher gesorgt.

Das Festival als Fest?

Die Artefakte wurden mitunter zwanghaft mit Theorie verschränkt, die mit zeitgeistigen Begriffen wie queer, postkolonial, migrantisch, widerständig etc. operierte und die Veranstaltungen zu hochtrabenden Diskursevents von geringer Sinnlichkeit und sehr überschaubarem Erkenntnisgewinn (gar nicht zu reden vom kaum nennenswerten Neuigkeitswert) verkommen ließ. Ob damit neue Publikumsschichten angeworben werden konnten, darf ernsthaft bezweifelt werden, zumal die anvisierten Milieus den Veranstaltungen schon bei der ersten Ausgabe weitgehend ferngeblieben sind. Auch das Fest, fête, festa etc., das die Festwochen auf ihren Programmen und Eintrittskarten vielsprachig zwar, aber im Grunde ebenso fantasiearm wie übermütig zu sein versprachen, hat sich letztendlich als kaum mehr als leere Tautologie erwiesen.

Ohne erst die beschwörende Behauptung vorausschicken zu müssen, ist das von Intendant Karl Regensburger verantwortete Im-PulsTanz-Festival demgegenüber tatsächlich ein Fest. Damit sind aber beileibe nicht die längst legendären Partys gemeint, sondern einerseits das, wie sich das Fest(ival) in der Stadt positioniert - nämlich sichtbar im Zentrum und ohne Angst vor Kontakt mit den Tempeln der sogenannten Hochkultur - und andererseits mit dem, was das Programm der 34. Ausgabe jenseits davon noch bis Mitte August zu bieten hat.

ImPulsTanz vermag, wie es zu einem Fest gehört, Gemeinschaft zu stiften und zwar nicht nur allein über Kunstsparten, Gattungen und Institutionen, sondern auch über Generationen und Nationen hinweg.

Vielleicht steht nicht zufällig der aus Antwerpen stammende Maler, Bildhauer, Choreograf und Autor Jan Fabre, dem heuer ein Schwerpunkt gewidmet ist, an prominenter Stelle im Programm. Er hat das Festival mit "I am a Mistake", einer seiner selten gewordenen einmaligen Solo-Performances im Leopold Museum eröffnet. Und die Uraufführung seiner neuesten Inszenierung mit seiner Truppe Troubleyn, die er anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums bei ImPulsTanz dem Festival 'geschenkt' hat, erregt Aufmerksamkeit. "Belgian Rules / Belgium Rules" ist ein durch den Karneval inspirierter fast vierstündiger Bilderreigen, eine augenzwinkernde Hommage an sein vielsprachiges Heimatland Belgien. Aus der Perspektive eines "Zwergen aus dem Land der Giganten"(wie sich Fabre selbst beschreibt), spielt er mit den malenden Übervätern aus der Kunst, Jan van Eyck, Hieronymus Bosch, Pieter Bruegel, James Ensor, Paul Delvaux und René Magritte, mit anderen Berühmtheiten Belgiens, dem Manneken Pis oder Eddy Merckx und mit belgischen Klischees, den Pommes Frites, den 1200 Biersorten, der Schokolade oder dem Taubenzüchten. Zudem setzt er sich kritisch mit Belgiens kolonialer Vergangenheit auseinander.

Sein handlungsloses Theater verlässt sich einerseits auf einen überbordenden Bilderreichtum mit einmal deutlichen, einmal eher disparaten Referenzen. Sollte den Zuschauer die Assoziationstätigkeit im Labyrinth der Anspielungen mal im Stich lassen, bleibt ihm bei Fabres Theater der Verausgabung immer noch das Spiel mit formalen Strukturen, wie der Wiederholung, sowie das Spiel mit der enormen Präsenz, was meint eine konkrete Körperlichkeit, die dichte Gegenwart seiner grandiosen Darsteller.

An dem wunderbaren Stück "Gustavia" von und mit Mathilde Monnier und La Ribot, das bereits vor zehn Jahren seine Uraufführung hatte, lässt sich die Erfahrung machen, dass das vermeintlich Alte sich nicht einfach dadurch erledigt, dass es in die Jahre gekommen ist. Darüber hinaus ist das subtile Stück, bei dem es auf burleske Weise um die Frage nach den Möglichkeiten von Weiblichkeit und Komik in einer Männergesellschaft geht, ein Beleg dafür, dass auch dort Diskurs oder Theorie steckt, wo es nicht draufsteht.

Das Fremde neben dem Bekannten

ImPulsTanz ist ein gutes Beispiel dafür, wie mit dem Festhalten an Traditionen, am Bewährten, Bekannten etc. dennoch neues Publikum generiert werden kann. Denn das Festival verlässt sich keineswegs bloß auf das Populäre. Es ist ein exemplarisches Beispiel für den gewinnbringenden Umgang mit Nachbarschaftsverhältnissen, indem es das vermeintlich Arrivierte neben das unbekannte Neue, das leicht Konsumierbare neben das Sperrige, das Fremde neben das Bekannte, das Lokale neben das Internationale stellt. Es ist die Mischung, die Erkenntnisse produziert und die Lust auf mehr und Mut macht, vielleicht anderes, Unbekannteres auszuprobieren.

Allein durch Neugierde lassen sich Gemeinschaften stiften, Entdeckungen ungeahnter Art machen, sie muss nur entfacht werden.

I am blood - A medieval fairytale

Jan Fabre Teaching Group

3.8.2017,16.30 Max Reinhardt Seminar www.impulstanz.com

JAN FABRE - STIGMATA

Actions & Performances 1976-2016

bis 27.08.2017, Leopold Museum www.leopoldmuseum.org

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