Wie schön ist doch die Musik

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Mit einer prominent besetzten Gala und sehr persönlich formulierten Erinnerungen nahm Ioan Holender öffentlichkeitswirksam Abschied als Direktor der Wiener Staatsoper.

„Fünfundzwanzig Jahre ist eine lange Zeit in Österreich! Wenn bei uns eine Institution nach einigen Jahren nicht zugrunde gegangen ist, ist man so freudig überrascht, dass man gleich ein Jubiläum derselben feiert“, schrieb 1868 der Feuilletonist der Neuen Freien Presse, Daniel Spitzer. Nicht ein Vierteljahrhundert, aber immerhin 19 Jahre steht Ioan Holender an der Spitze der Wiener Staatsoper und ist damit der am längsten amtierende Direktor dieses Hauses. Ende August übergibt er das Amt Dominique Meyer.

Das Saisonende nutzte Holende zu einer sehr persönlichen Rückschau. Er sei gerne gekommen und gehe gerne, betonte er in den letzten Wochen. In seinen eben erschienenen Erinnerungen „Ich bin noch nicht fertig“ (Zsolnay Verlag), in denen er sich über manche Institution kritisch äußert, auch über Differenzen mit großen Künstlern schonungslos schreibt, liest sich dies um die Spur anders. Sein Verstand sage ihm, dass die Zeit zu gehen gekommen sei. Allerdings: „Was mein Herz und mein Gemüt dazu sagen werden, das weiß ich jetzt noch nicht.“

Es ist eine besondere Bilanz, die der sich gerne zu grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Themen äußernde, vor Selbstbewusstsein stets strotzende Ioan Holender vorlegen kann. Für über 6000 Vorstellungen an der Wiener Staatsoper zeichnete er verantwortlich. Unter seiner Ägide wurden 82 Opernpremieren (darunter vier Uraufführungen und drei Auftragswerke), elf Kinderopernpremieren (darunter je zwei Uraufführungen und Auftragswerke), 63 Ballettpremieren an der Staatsoper sowie 21 Premieren (darunter zwei Uraufführungen) an der Volksoper – da er zeitweilig beide Häuser leitete – realisiert.

Zahlreich die infrastrukturellen Neuerungen, die der künftige Berater – u. a. der New Yorker „Met“, des Budapester Opernhauses, eines Festivals in Tokyo – und weltweit Lehrende verwirklicht hat. Sie reichen von der Erneuerung der Garderoben über die Eberhard-Waechter-Probebühne, das Kinderzelt, ein Café, ein Museum bis zu Live-Übertragungen auf dem Herbert-von-Karajan-Platz. Stolz ist Ioan Holender, dass er seinem Nachfolger 11,767 Millionen Euro hinterlassen wird und die Wiener Staatsoper eine durchschnittliche Eigendeckung von 45 Prozent aufweist.

Ausschnitte aus zahlreichen Produktionen

Auch die Musik kam bei dieser Bilanz nicht zu kurz. Es werde der längste Abend, den die Staatsoper je erlebt habe, kündigte Holender zu Beginn der von ihm pointiert moderierten, von verschiedenen Fernsehanstalten gesendeten „Musikalischen Rückschau der Direktion Holender 1991–2010“ an. Er sollte Recht behalten: Der Abend, zwei Pausen eingerechnet, dauerte an die sechs Stunden. Schließlich bot er auch ein besonderes Programm: Ausschnitte aus nicht weniger als 40 Produktionen seiner Ära, präsentiert von Orchester und Chor der Wiener Staatsoper, den Dirigenten Mehta, Welser-Möst, Pappano, de Billy, Luisi, Schneider, Armiliato, Simone Young, Thomas Lang, Domingo, Halász, Calvo und mehr als 50 Solistinnen und Solisten.

Londons Opernhaus Covent Garden verlegte extra die Generalprobe von Verdis „Simon Boccanegra“ vor, um Pappano, Netrebko und Plácido Domingo die Mitwirkung an dieser Gala zu ermöglichen. Nicht nur seine Wagner’schen „Winterstürme“ wurden bejubelt. Ebenso die Wiederkehr von Thomas Hampson, Eliane Coelho, Stefania Bonfadelli oder Siegfried Jerusalem. Leo Nucci und Ferruccio Furlanetto demonstrierten, dass die Zeit großer Bässe keineswegs vorbei ist.

Angelika Kirchschlager und Michael Schade brillierten als Valencienne und Camille, Frank Struckmann in „Frau ohne Schatten“ und „Otello“, Netrebko als Manon, Violeta Urmana als Leonora, Piotr Beczala als Faust, Botha als Lohengrin, Pieczonka und Kühmeier als Arabella und Zdenka, Frittoli als „Figaro“-Gräfin, Angela Denoke und Stephen Gould in Korngolds „Tote Stadt“, Waltraud Meier, Peter Seiffert, Petra Maria Schnitzer in „Tristan“, Natalie Dessay als Marie. Die Liste ließe sich locker fortsetzen.

Weil „alles Spaß auf Erden“ ist, durfte zum krönenden Finale die Schlussfuge aus Verdis „Falstaff“ nicht fehlen. Das Abendmotto hatte zuvor schon Thomas Quasthoff vorgegeben: als Sir Morosus mit „Wie schön ist doch die Musik“. Hätte sie nicht wieder kurzfristig abgesagt, hätte dies wohl auch Elina Garanca so gesehen.

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