Wie viel Wert verträgt der ORF?

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Der ORF feiert seine öffentlich-rechtliche Bedeutung – und droht gleichzeitig mit der Kürzung von Qualitätsinhalten. Unter Mitarbeitern und Sehern gärt es.

Wieder ein heißer Donnerstag für den ORF: Während der Drucklegung dieser FURCHE tagte der Stiftungsrat, um über das Sparpaket, das ORF-General Alexander Wrabetz vorgelegt hat und das hausintern wie öffentlich unter Dauerbeschuss stand, zu beraten. Inzwischen kreißte der Küniglberg – und gebar seinen ersten Public-Value-Bericht. Ein Konvolut von 248 bunten Seiten, das Generaldirektor Alexander Wrabetz Anfang der Woche präsentierte. Allein der Titel „Wert über Gebühr“ spricht Bände. 80 „Schlüsselmitarbeiter“ (© Wrabetz) präsentieren ausgewählte Bereiche, in denen der ORF seinen öffentlichen Mehrwert darstellt. Beiträge von ZIB 2-Anchorman Armin Wolf bis zu Finanz-Direktorin Sissy Mayrhoffer argumentieren die Leistungen des ORF fürs Gemeinwohl – durchaus beachtlich.

Angesichts der Diskussionen der letzten Wochen ein Lebenszeichen: Bald nach seinem Amtsantritt hatte Wrabetz das Public- Value-Kompetenzzentrum eingerichtet, dessen Leiter Klaus Unterberger sich seither müht, das Konzept intern wie nach außen bekannt zu machen. Der erste Public-Value-Bericht ist eine Frucht dieser Bemühungen.

Leider ist das Projekt unfertig geblieben: Public Value-Berichte der einzelnen Landesstudios werden nachgereicht, vor allem aber soll ein „Finanzierungshandbuch“ erstellt werden, das auch die Ausgaben für den Public Value auflistet. Der ORF ist ja nicht zuletzt durch die Kritik der EU gehalten, seine diesbezüglichen Aufwendungen auszuweisen.

Bauernprinzessin als Mehrwert

Der ORF hat sich, weist der Bericht aus, an Filmhighlights wie den Oscar-gekrönten „Fälschern“ beteiligt. Dass aber auch die Serie „Ein Arzt am Wörthersee“ als öffentlich-rechtlicher Wert gesehen wird, ebenso wie Teile der Serie „Bauernprinzessin“ und „Molly-Mops“, will der ORF nicht als Irrtum, sondern als „Exportartikel TV-Koproduktionen“ sehen.

Wrabetz wie Unterberger betonen, dass der Public Value-Bericht nur ein Element der Legitimationsaktivitäten des ORF darstellt. Vor wenigen Wochen hat auch ein mehrjähriges, hoch dotiertes Projekt der Fachhochschule Wien begonnen, welches den Public Value-Prozess extern beforschen und begleiten soll (die FURCHE berichtete).

Doch auch bei der Präsentation des Papiers standen die aktuellen Turbulenzen um den ORF im Mittelpunkt. Die FURCHE fragte den ORF-General nach öffentlich-rechtlichen Kernprogrammen, die auch im Public Value-Bericht angeführt sind: Werden Sendungen wie Heimat fremde Heimat (beim Thema Integration als Aushängeschild gepriesen) oder die Wochenschau im nächsten Bericht nicht mehr aufscheinen, weil sie aufgrund der geplanten Sparmaßnahmen eingestellt werden?

Alexander Wrabetz verneint vehement: Er verstehe die Aufregung um Heimat fremde Heimat „überhaupt nicht“. Es gehe um einen „Umbau“ und „keineswegs um eine Reduktion“. Auch die Redakteure von Heimat fremde Heimat müssten sich der Frage stellen, ob sich auch Migranten der 2. oder 3. Generation in dieser Sendung wiederfinden würden. Bei der Wochenschau hätten die Diskussionen dazu geführt, dass die Redaktion nun meine, dass die Sendung – „bei gleichbleibender Qualität“, wie der General anmerkt – um 250.000 Euro pro Jahr produziert werden könne, statt wie bisher um 600.000. Insofern fühlt sich Wrabetz bestätigt, diese konkreten Diskussionen um Sendungen angezettelt zu haben.

Wrabetz-Mailserver blockiert

Die Gebührenzahler scheinen den Beschwichtigungen des ORF-Direktors keinen Glauben mehr zu schenken. Die Basis formiert sich statt dessen zum Protest. Seit Ende November wird Wrabetz von wütenden Protesten der Organisation SOS-Mitmensch gegen die Sparmaßnahmen bei Heimat fremde Heimat heimgesucht. Nach Darstellung der Organisatoren haben bereits über 1960 Unzufriedene dem ORF-Chef ihre Meinung gesagt – und damit teilweise seinen Mailserver lahmgelegt.

Und auch die anderen von Wrabetz in der Vorwoche vorgestellten Sparaktionen – der Abbau von 1000 Mitarbeitern, das Auslaufen von Projekten der Filmförderung und das mögliche Aus für Fußballübertragungen – sorgen für Aufregung. Doch der Chef schien zumindest in diesem Punkt hart zu bleiben. „Sparen, sparen, sparen“ ist die neue Devise von Alexander Wrabetz, die er den geschockten Mitarbeitern im Rahmen einer „Informationsveranstaltung“ in der heiteren Kulisse des Quotenflops Starmania vorstellte.

In den Zeitungen erscheinen gleichzeitig mit den finanziellen Hiobsbotschaften (100 Millionen Defizit bei 200 Millionen Rücklagen) Berichte über angebliche Kündigungslisten von Mitgliedern der ORF-Chefetage, allen voran Informationsdirektor Elmar Oberhauser, dem die Gerüchtebörse passend zum Thema auch noch Bereicherungsvorwürfe nachsagt. Wenig besser ergeht es derzeit dem Technischen Direktor Peter Moosmann, dem scheidenden Chefjuristen des Hauses, Wolfgang Buchner und Wolfgang Fischer, Leiter der Aus- und Weiterbildung. Nicht einmal Wrabetz selbst bleibt verschont. Von einer bevorstehenden Ablöse im kommenden Jahr ist die Rede.

Die Belegschaft reagiert auf die Gerüchte und Sparpläne zunehmend verärgert und verunsichert. So forderte der Zentralbetriebsrat Gerhard Moser Mitarbeiter zum „Dienst nach Vorschrift“ auf. Moser beklagt auch die „gedrückte Stimmung“ unter den ORF-Angestellten.

Wohin steuert der ORF?

Götterdämmerung am Küniglberg? Johannes Haas, Professor am Publizistik-Institut in Wien, glaubt nicht so recht an die erzeugte Alarmstimmung: „Es scheint eher wie eine Luftballon-Politik, um einige Lobbys zu aktivieren. Am Ende kommt man drauf, dass das Gesamtpaket gerettet werden muss und der Status quo erhalten bleibt.“

Haas hält den ORF für „von innen heraus nicht sanierbar“ und fordert eine tiefgreifende Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dabei sieht der Kommunikationswissenschafter vor allem die Regierung unter Zugzwang. So sehen das auch Teile des ORF-Stiftungsrates. Andreas Braun fordert etwa eine Entscheidung der Politik für ein mutiges, experimentelles Fernsehen, das die derzeit gängige Beschreibung für den ORF ersetzen soll: „Hohl und pseudo-offiziös.“

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