"Wir essen eigentlich Erdöl!"

Werbung
Werbung
Werbung

Soziologe, Theologe und Club-of-Rome-Mitglied Wolfgang Sachs ist Projektleiter im renommierten Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. Im FURCHE-Gespräch erklärt er, warum laut seiner Prognose nach der Überwindung der aktuellen Finanzkrise die alten Dämonen wieder zuschlagen werden.

Die Furche: Herr Professor, vor einem Jahr gab es Hungerrevolten in Dutzenden Ländern, Meldungen zur mexikanischen Tortilla-Krise sind um die Welt gegangen. In der aktuellen Wirtschaftskrise scheint es an der Hungerfront ruhiger geworden zu sein.

Wolfgang Sachs: Die Preise für Nahrungsmittel haben sich tatsächlich entspannt, auch wenn sie jetzt nicht in dem Ausmaß gefallen sind, wie sie vor einem Jahr in die Höhe schnellten. Der wichtigste Grund für den Preisverfall ist der Preisrückgang beim Erdöl.

Die Furche: Was gibt es da für einen Zusammenhang?

Sachs: Ohne Erdöl geht in der industrialisierten Landwirtschaft gar nichts. Die Herstellung von Düngemittel oder Pestiziden, der Transport der Agrargüter, ihre Kühlung, die Landwirtschaftsmaschinen, die Pumpen … all das braucht Erdöl, um zu funktionieren. Zugespitzt kann man sagen: Wir essen eigentlich Erdöl!

Die Furche: Und billiges Erdöl macht unser Essen billig.

Sachs: Das ist ein sehr kurzfristiger Vorteil für die Konsumenten. Ökologisch gesehen ist der niedrige Ölpreis natürlich ein großer Nachteil. Er schafft die Illusion, das ökonomische Leitsignal Ölpreis werde so niedrig bleiben. Das ist falsch. Es gibt heute nicht mehr Öl als vor der Krise. Doch diese Illusion genügt, um viele Investitionen in erneuerbare Energie zu verschieben oder ganz zu kippen.

Die Furche: Auf die Landwirtschaft bezogen heißt das?

Sachs: Die Umstellung der Essgewohnheiten in den Schwellenländern schreitet voran. Dabei geht es nicht nur um China. Auch im Nahen Osten steigt der Fleisch-Verbrauch rapide an. Die Welt verbraucht mehr Proteine, mehr Wasser, mehr Öl - doch alle diese Ressourcen sind begrenzt.

Die Furche: So begrenzt wie Umweltbewusstsein und grünes Denken in Zeiten der Krise …

Sachs: Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Klima oder die Nahrungsmittelknappheit hat sicher darunter gelitten. Doch der Kampf zwischen Ökologie und Ökonomie wird wieder aufleben. Denn ohne eine ökologische Wende wird man diese Krise nicht nachhaltig überwinden können. Die staatlichen Investitionsprogramme müssen ein grünes Profil bekommen. Ansonsten lassen sich die alten Dämonen, Klimawandel etc., nicht vertreiben. Der jetzt propagierte Keynesianismus muss grün sein. Und die Wirtschaft muss ihren Fußabdruck drastisch verkleinern. (wm)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung