Wir haben es uns verdient

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Über die österreichische Sandkisten-Innenpolitik angesichts der drohenden globalen Finanzkrise.

Inzwischen herrscht ja unter den Kommentatoren des Landes weitgehender Konsens in der Kritik an der atemberaubenden Lizitationspolitik dieses Wahlkampfs, an der sich alle Parteien – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – scham- und gnadenlos beteiligen. Manche versuchen es auf der sachlich-argumentativen Ebene, andere (wer wollte es ihnen verdenken) reagieren nur noch mit Spott und Sarkasmus, Humanisten mag good old Decimus Iunius Iuvenalis in den Sinn kommen: „Difficile est satiram non scribere“ – „Schwierig ist es, (darüber) keine Satire zu schreiben.“ Aber selten war die veröffentlichte Meinung so eindeutig: „Es reicht!“ schallt es nahezu täglich den Wahlkämpfenden entgegen, wenn auch nicht unbedingt im Sinne des Urhebers dieses Zitats.

Angesichts der jüngsten Anzeichen einer globalen Finanzkrise nimmt sich das hiesige Kleinklein freilich noch einmal lächerlicher aus. Oder sollte man doch besser sagen: bedrohlicher? Denn vor dem Hintergrund der Bankenpleiten in den USA, die weitreichende ökonomische Verwerfungen nach sich ziehen dürften, lässt einem das heimische innenpolitische Sandkistenspielen doch eher das Schmunzeln auf den Lippen gefrieren. Nicht dass eine österreichische Bundesregierung für sich alleine imstande wäre, internationalen Entwicklungen Paroli zu bieten. Aber man wüsste in solchen, allem Anschein nach eher ungemütlicher werdenden Zeiten doch gerne Leute in Regierungsverantwortung, die im Verbund mit den EU-Partnerländern die nötigen Vorkehrungen treffen, um das vielzitierte europäische Sozial- und Wohlfahrtsmodell einigermaßen wetterfest zu machen, anstatt wie im Taumel die letzten Jahrgangschampagner aus dem Keller zu holen und unter dem Gejohle des Publikums zu entkorken. Doch wenig deutet darauf hin, dass die künftige Regierung diesem Erfordernis entsprechen wird: Die Interessensabtäuschler, Besitzstandswahrer und Pfründenverteiler in den beiden Schrumpfparteien SPÖ und ÖVP sind, wenn der Schein nicht trügt, schon längst auf eine Altauflage der „Großen Koalition“ eingeschwenkt: „Manus manum lavat“ – „Eine Hand wäscht die andere“ (Lucius Annaeus Seneca).

Während etwa in Deutschland die SPD zur Besinnung gekommen sein dürfte und mit der Ablöse des hoffnungslos überforderten Kurt Beck durch Franz Müntefering auf eine deutliche Abgrenzung vom Sozialpopulismus der Linkspartei setzt, ist die SPÖ den umgekehrten Weg gegangen: von dem bei allem politischen Ungeschick doch im Ansatz („solidarische Hochleistungsgesellschaft“) zeitgemäß orientierten und unzweifelhaft proeuropäischen Alfred Gusenbauer zum Kanzlerkandidaten von Gnaden des Boulevards, Werner Faymann. Dazu kommt eine ÖVP, die seit der Perspektivendebatte samt jenem verzweifelten Ringen nach „Modernität“, das in der Person Andrea Kdolsky ihren sinnfälligsten Ausdruck fand, nie mehr richtig Tritt gefasst hat: zerrieben zwischen einem „Schüssel-Kurs“, welchen die politischen Gegner so erfolgreich als „alt“, „abgewählt“, „sozial kalt“ etc. punziert haben, dass dies mittlerweile auch eine Mehrheit in der ÖVP glaubt, und jenen, die sich – siehe oben – nach den Fleischtöpfen der späten achtziger und neunziger Jahre zurücksehnen.

Aber es wäre zu einfach, sich nur in Politikerbeschimpfung zu ergehen. Es kann nicht nur an den handelnden Personen liegen, es muss schon auch mit den Adressaten der Politik zu tun haben. Damit „dass die Wähler offenbar an eine ganz normale, im Regelfall seriöse Politik nicht mehr glauben, sondern mit Extrakinkerlitzchen geködert werden müssen“, wie Hans Rauscher kürzlich im Standard schrieb. Das freilich betrifft nicht nur die Politik, sondern ist ganz allgemein ein Zug der Zeit: Es muss immer „mehr“ sein, irgendein Gag, irgendwelche „Goodies“ – was auch immer. Guter Journalismus alleine genügt heute ebenso wenig wie eine schöne Landschaft & Kultur – oder eben „seriöse“ Politik. In Zeiten, in denen „das Beste“ für „ganz normal“ (so ein Werbeslogan einer Keksfirma) erklärt wird, traut sich auch die Politik nicht mehr von Zumutungen und Anforderungen zu sprechen. In der Welt der Wirtschaft findet diese Mentalität indes ihre Entsprechung in der Verdrängung des „anständigen Kaufmanns“ durch wildgewordene Spekulanten und maßlos gierige Finanzhaie.

rudolf.mitloehner@furche.at

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